Das Erbe des Loewen
„Eine Gruppe Männer ohne Rüstungen können den verdammten See im Dunkel der Nacht durchschwimmen und die Burg einnehmen.“
„Vorausgesetzt, sie gelangen ins Tal. Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ihnen dies nicht gelingt.“
Hin und her gerissen zwischen dem angeborenen Bedürfnis zu schützen und dem Verlangen, Rache zu üben, knurrte Kieran: „Die ganze Sache gefällt mir nicht.“
„Warum sollte Duncan einen Mann den langen Weg nach Berwick schicken, um uns zu suchen? Unsere Pferde und Rüstungen sind wertvoll, doch besitzen wir wenig klingende Münze.“
„Vielleicht ist er mit den Carmichaels im Bunde.“ Kieran stieß diese Worte hervor, als wären sie Gift und nicht der Familienname jener mächtigen Familie, von der er abstammte.
Rhys antwortete mit einem walisischen Fluch. „Du bringst das Andenken an deine Eltern in Unehre, wenn du sagst... “ „Ich habe keine Erinnerung an sie, wie du genau weißt. Dafür kann ich meinem lieben Onkel Ross danken.“
„Nein! Tief in deinem Herzen weißt du, dass er deinen Vater nicht getötet hat.“
„Tu ich das?“ Kieran fühlte, wie der Strick nachgab, und nutzte den Augenblick, nicht länger über das zu sprechen, was er am meisten hasste. Er setzte sich benommen auf, schob indes dieses Gefühl ebenso beiseite wie den Gedanken an seine Vergangenheit, als ein Geräusch an der Tür ihn warnte. „Still“, flüsterte er und sprang auf. Unwillkürlich griff er nach seinem Schwert. Da merkte er, dass sein Gürtel mit der Scheide fehlte, in dem das Schwert und ein Dolch steckten. Doch er war wütend genug, um auch mit bloßen Händen zu töten.
Mit zwei Schritten hatte er den Raum durchquert und drückte sich mit dem Rücken flach an die Wand neben der Tür. Ein metallisches Geräusch, das Knarren rostiger Türangeln, und die Tür flog auf. Frische Luft drang herein und ein willkommener Lichtschwall. Alle Sinne angespannt, beobachtete Kieran einen schlanken Schatten, der in das Licht trat, an der Türschwelle innehielt und zögernd um sich blickte.
Du hast allen Grund, dich zu fürchten, du Bastard. Kieran sprang vor, ergriff den Feind, hob ihn hoch und drückte ihn gegen die Wand. Der Körper unter ihm war leichter als erwartet. Gut. Dies ist der Bursche, der mir die Schmach angetan hatte. Mit seiner linken Hand drückte Kieran die Rechte seines Gegners an die Wand und legte die andere an dessen Kehle ...
Die Haut, die den zarten Nacken umspannte, war weich wie Seide. Unerwartet weich.
Kieran runzelte die Stirn. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er in ein Gesicht, das schreckensbleich war. Die Augen waren blau wie der Himmel über Edin Valley, umgeben von langen schwarzen Wimpern. Verführerische Wimpern. Etwas, das er in seinem Zorn nicht bemerkt hatte, wurde nun offenbar. Der Körper, den er so eng an sich presste, duftete nach Heidekraut. Wölbungen drückten sich gegen seine Brust. Brüste. Mein Gefangener ist eine Frau.
Verdammt! In seiner blinden Hast nach Rache hatte er irgendeine arme Magd angegriffen. Entsetzt nahm er die Hand von ihrer Kehle. „Entschuldige“, sagte er mehr zu sich selbst, und die Worte klangen heiser. Das Frauenzimmer schwieg noch immer. Beunruhigt zog er sich von ihr zurück. „Habe ich dir wehgetan?“
Sie schwankte. Unwillkürlich legte er die Arme um sie, damit sie nicht stürzte. Zum zweiten Mal in kurzer Zeit geriet Kierans Blut in Wallung. Nicht rasender Zorn ließ diesmal das Blut durch seine Adern jagen, es war verbotenes Feuer. Verlangen.
Es drang tief in ihn und erhitzte seine Sinne. Der Duft von Moschus und Heidekraut umfing ihn. Er begehrte diese Frau mit einer Leidenschaft, die ihn entsetzte. Stöhnend verstärkte er seine Umklammerung, getrieben von dem Bedürfnis, mit ihr
eins zu sein.
„Ich kann nicht atmen.“ Laurel drängte ihre Hände dazwischen und stieß ihn von sich. Überraschenderweise löste er seinen Griff. „Was ist geschehen?“
„Schwäche befiel dich.“ Seine Stimme klang tief, bezwingend.
Laurel blickte auf. Er ist es. In seinen Augen loderte ein Feuer, das einen Funken tief in ihrem Innersten entzündete. „Nein“, wisperte sie. Sie hatte Angst vor ihm und noch mehr Angst vor dem, was er in ihr entfachte. „Lass mich gehen.“ Sie versuchte, sich ihm zu entwinden.
Kieran blinzelte. Verdammt, er hatte einen Schwur getan ... vor Gott. Einen heiligen Schwur, den er beinahe gebrochen hätte. Dann erkannte er ihre Stimme. „Du!“ Er atmete aus. „Du bist
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