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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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schlafen, und auch diesmal erwachte sie gegen Mitternacht. Das Zimmer hatte sich nicht verändert, sah man einmal davon ab, daß die Lampe inzwischen zum Zentralgestirn eines Sonnensystems aus ziemlich dummen Motten geworden war.
    Sie schlug erneut die Augen auf, als der Morgen dämmerte. Nur ein kleiner Stummel erinnerte noch an die lange Kerze in der Lampe, und Esk ruhte nach wie vor im tiefen Koma des Borgens.
    Als Granny die Ziegen zur Koppel führte, beobachtete sie aufmerksam den Himmel.
    Der Mittag kam und ging, und schließlich neigte sich ein weiterer Scheibenwelttag dem Ende entgegen. Unruhig marschierte Oma Wetterwachs in der Küche auf und ab. Gelegentlich unterbrach sie ihre ziellose Wanderung und erlag plötzlichen Anfällen von Arbeitswut. Energisch entfernte sie uralte Schmutzkrusten aus den Fliesenfugen, kratzte den Ruß des letzten Winters aus dem Kamin, stieß darunter auf den des Vorjahrs, ließ sich davon nicht beeindrucken und scheuerte ihn ebenfalls fort. Ein Mäusenest hinter der Garderobe wurde mit vorsichtiger Unerbittlichkeit in den Ziegenstall verlegt.
    Die Sonne ging unter.
    Das Licht der Scheibenwelt war schwerfällig und träge. Von ihrer Hütte aus beobachtete Granny, wie es über die Berghänge tropfte und in goldenen Bächen durch den Wald strömte. Hier und dort verharrte es in kleinen Lachen, bis es schließlich verblaßte.
    Mit den Fingerspitzen trommelte sie an den Türpfosten und summte eine bitter klingende leise Melodie.
    Als der nächste Morgen graute, lag Eskarinas Körper noch immer reglos und stumm im Bett.
     
    Als das goldene Licht langsam über die Scheibenwelt floß, wie die ersten Vorboten der Flut, die sich über ein Watt tasteten, schlug der große Adler langsam mit den breiten Schwingen und stieg höher, der gewölbten Himmelskuppel entgegen. Unter Esk erstreckte sich die runde Welt: Kontinente und Inseln, Flüsse und Seen. Und selbstverständlich das Randmeer.
    Unter dem Dach des Firmaments herrschte Stille.
    Eskarina kostete das herrliche Gefühl des Fliegens voll aus, zwang die ermüdenden Muskeln zu noch größeren Anstrengungen. Doch irgend etwas stimmte nicht. Ihre Gedanken schienen ein seltsames Eigenleben zu entwickeln und sich in einem mentalen Dunst zu verlieren. Gefühle wie Schmerz, Aufregung und Erschöpfung trieben durch ihren Geist, aber gleichzeitig schien sie andere Empfindungen zu verlieren. Der Wind trieb Erinnerungen fort. Wenn sie sich auf eine bestimmte Überlegung konzentrieren wollte, löste sie sich auf und verschwand.
    Sie büßte Teile ihres Ichs ein und wußte nicht einmal, was ihr abhanden kam. Nach einer Weile geriet sie in Panik und trachtete danach, sich an vertrauten Dingen festzuklammern …
     
    Granny stand im Garten, und der Morgenwind zerrte wie lüstern an ihren Röcken. Sie ging von Bienenstock zu Bienenstock und klopfte behutsam auf die Klappen. Dann blieb sie in einem nahen Gewirr aus Gurkenkraut und Melisse stehen, streckte die Arme aus und intonierte etwas mit so hoher Stimme, daß kein normaler Mensch irgendeinen Laut vernommen hätte.
    Ganz im Gegenteil zu den Bienen. Plötzlich stiegen große Wolken aus diensteifrig summenden dicken Insekten auf, schwebten über der Hexe und stimmten mit lautem Brummen in ihren Gesang ein.
    Kurz darauf machten sie sich auf den Weg, flogen über die Bäume hinweg ins heller werdende Licht.
    Es ist allgemein bekannt (zumindest unter Hexen), daß alle Bienenkolonien Teil einer Wesenheit namens ›Schwarm‹ sind – so wie die einzelnen Insekten individuelle Komponenten des jeweiligen Stocks darstellen. Granny setzte sich nur selten mit den Gedankensphären von Bienen in Verbindung, unter anderem deswegen, weil Insektenbewußtseine sonderbare Strukturen aufwiesen und nach mentalem Zinn schmeckten. Aber der eigentliche Grund war ihre Befürchtung, der Schwarm sei weitaus intelligenter als sie.
    Sie wußte, daß die Drohnen innerhalb kurzer Zeit die wilden Bienenkolonien im tiefen Wald erreichen und mit ihren Artgenossen in allen Tälern und Schluchten des Gebirges Ausschau halten würden. Ihrer Aufmerksamkeit entging nichts. Granny nickte zufrieden: Jetzt konnte sie nur noch warten.
    Kurz vor Mittag kehrten die Bienen zurück, und in ihren wie Säure ätzenden Gedanken las Oma Wetterwachs, daß sie keine Spur von Esk gefunden hatten.
    Damit blieb nur noch eine Alternative übrig. Die Hexe schauderte, als sie daran dachte, hielt jedoch an ihrem einmal gefaßten Beschluß fest. Sie nahm eine

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