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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Es ist nicht nötig, daß man in weiter Ferne nach ihnen sucht.«
    »Ich habe einmal von einer Stadt geträumt«, sagte Esk. »Dort wohnten Hunderte von Menschen, und ich sah ein Gebäude mit großen magischen Toren …«
    Das hinter ihr erklingende Geräusch hörte sich an, als risse ein altes Leinentuch. Die Hexe war eingeschlafen.
    »Granny?«
    »Mhm?«
    Esk dachte kurz nach. »Es ist wunderschön hier«, sagte sie wie beiläufig. »Wir sind ganz allein, und niemand stört uns.«
    »Mhm.«
    »Ich fühle mich herrlich entspannt«, fügte das Mädchen listig hinzu. »Und bereit. Was meinst du?«
    »Grmpf.«
    Eskarina entschied, deutlicher zu werden. »Ich bin der Ansicht, dies ist ein geeigneter Zeitpunkt.«
    Und als die erhoffte Reaktion ausblieb: »Du hast versprochen, mir echte Magie zu zeigen. Wenn es soweit ist. Und jetzt …«
     
    »Nur ein bißchen!«, drängte Esk.
    Granny überlegte und suchte vergeblich nach irgendwelchen Ausflüchten. Bestimmt bereue ich es später, fuhr es ihr durch den Sinn – womit sie erstaunlichen Weitblick bewies.
    »Na schön«, brummte sie.
    »Echte Magie?«, vergewisserte sich Eskarina. »Weder Kräuter noch Pschikologie?«
    »Echte Magie«, bestätigte Granny, »beziehungsweise das, was du darunter verstehst.«
    »Ein Zauberspruch?«
    »Nein. Ich zeige dir, wie man borgt.«
    Eskarinas Augen strahlten aufgeregt. Granny fand, daß sie lebendiger wirkte als jemals zuvor.
    Die alte Hexe betrachtete das Tal vor ihnen und nickte langsam, als sie ein geeignetes Geschöpf fand. Ein grauer Adler kreiste müßig über einem fernen Gehölz, und in der animalischen Bewußtseinssphäre spürte sie Ruhe und Gelassenheit. Ausgezeichnet.
    Behutsam setzte sie sich mit dem Vogel in Verbindung, und daraufhin flog er langsam näher.
    »Zunächst kommt es beim Borgen darauf an, daß man sich einen möglichst bequemen und sicheren Platz sucht«, erklärte Granny und strich das Gras hinter ihr glatt. »Zum Beispiel ein weiches Bett.«
    »Aber was ist Borgen?«
    »Leg dich hin und halt meine Hand. Siehst du den Adler dort oben?«
    Esk starrte hoch und zwinkerte im hellen Schein der Sonne.
     
    Deutlich spürte sie, wie ihr kühle Luft an den Federn entlangstrich. Da der Adler nicht jagte und sich einfach nur einen Spaß daraus machte, träge dahinzugleiten, blieb die Landschaft unter ihm eine Ansammlung unbedeutender Konturen. Die freie Weite jedoch … sie wurde zu einem komplizierten, sich ständig verändernden dreidimensionalen Etwas, einem miteinander verketteten Muster aus Spiralen und Kurven, das sich über viele Meilen hinweg erstreckte, einer Achterbahn aus Strömungen, die thermische Säulen umschmiegten. Esk …
    … spürte einen vorsichtigen Druck, der sie zurückhielt.
    »Der zweite wichtige Punkt«, ertönte dicht neben ihr die kratzige Stimme der Hexe, »ist folgender: Man darf das Geborgte Geschöpf nicht verärgern. Wenn man ihm die eigene Gegenwart offenbart, setzt es sich entweder zur Wehr oder gerät in Panik, und dann bleibt einem nichts anderes übrig, als den Rückzug anzutreten. Der Vogel dort oben hat sein ganzes Leben als Adler verbracht. Im Gegensatz zu dir.«
    Esk schwieg.
    »Du fürchtest dich doch nicht, oder?«, fragte Oma Wetterwachs. »Beim erstenmal ist eine solche Reaktion durchaus verständlich und …«
    »Ich habe keine Angst«, erwiderte Eskarina ruhig. »Wie kontrolliert man das Tier?«
    »Darauf sollte man besser verzichten. Wie dem auch sei: Selbst erfahrenen Hexen fällt es schwer, Kontrolle auf eine völlig selbständige animalische Gedankensphäre auszuüben. Man muß dem Geschöpf … vorschlagen, es sei geneigt, sich auf eine ganz bestimmte Weise zu verhalten. Mit zahmen Tieren sieht die Sache natürlich ganz anders aus. Nun, trotzdem kann man von solchen Wesen nichts verlangen, was ihrer elementaren Natur widerspricht.«
    Granny deutete in die Höhe. »Versuch jetzt, einen Kontakt mit dem Bewußtsein des Adlers herzustellen.«
    Esk sah Granny als eine einheitliche silbergraue Wolke am Rande ihres Wahrnehmungsbereichs. Nach kurzer Suche fand sie den Adler. Sie hätte ihn fast übersehen. Sein Selbst war klein, purpurn und scharf wie eine Pfeilspitze. Der Vogel konzentrierte sich ganz aufs Fliegen und bemerkte sie nicht.
    »Gut«, lobte die alte Hexe. »Wir entfernen uns nicht allzuweit vom Tal. Wenn du möchtest, daß er abdreht und sich in eine andere Richtung wendet …«
    »Ja, ich weiß«, sagte Esk. Sie beugte die Finger – die sich an einem ganz

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