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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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obwohl man den gleichen Effekt erzielen konnte, wenn man jeden Tag von morgens bis abends an der frischen Luft schuftete. Der Unbekannte runzelte die Stirn.
    »Ja, es gehört mir«, sagte er, entschlossen, die Initiative zurückzugewinnen. »Was tust du hier, wenn ich fragen darf? Bist du von zu Hause weggerannt, oderwas? Ein Junge in deinem Alter würde sicher behaupten, er wolle in der Fremde sein Glück versuchen. Aber du bist ein Mädchen, stimmt’s?«
    »Können Mädchen ihr Glück nicht versuchen?«
    »Normalerweise halten sie nach einem hübschen jungen Mann Ausschau, der mit Erfolg von einer solchen Reise heimkehrt«, sagte der Bärtige und schenkte ihr ein 200karätiges Lächeln. Er steckte eine braune Hand aus, an deren Fingern prunkvolle Ringe steckten. »Darf ich dich zum Frühstück einladen?«
    »Vorher würde ich gern den Abort benutzen«, sagte Esk zurückhaltend. Der Zigeuner sah sie groß an.
    »Dies ist ein Kahn, oderwas?«
    »Ich glaube schon.«
    »Mit anderen Worten: Es gibt nur den Fluß.«
    Er klopfte ihr auf die Schultern. »Mach dir nichts draus«, fügte er hinzu. »Er ist längst daran gewöhnt.«
     
    Granny stand auf der Anlegestelle, und ihr Fuß pochte mit einem ungeduldigen Taptaptap aufs Holz. Der kleine Mann vor ihr – er war das ohulanische Äquivalent eines Dockmeisters – bekam die volle Wucht eines durchdringenden Hexenstarrens zu spüren, erbleichte unwillkürlich und gab sich alle Mühe, noch kleiner zu werden. Oma Wetterwachs’ Gesichtsausdruck wirkte vielleicht nicht ganz so beunruhigend wie der Anblick von Daumenschrauben, aber ihre finstere Mimik schien darauf hinzudeuten, daß sie die Verwendung solcher Folterinstrumente durchaus in Erwägung zog.
    »Sie sind also noch vor dem Morgengrauen aufgebrochen«, sagte sie.
    »J-ja«, erwiderte der Mann. »Ich, äh, wußte nicht, daß du etwas dagegen hattest. Sonst hätte ich sie natürlich, äh, gebeten, auf dich zu warten.«
     
    »Äh, nein, tut mir leid.«
    Hastig fügte er hinzu: »Es sind Zoons. Wenn sich die Kleine an Bord versteckte, droht ihr keine Gefahr. Einem Zoon kann man immer vertrauen, heißt es. Sie nehmen das Familienleben sehr ernst. Und sie mögen Kinder.«
    Granny sah Hilta an, die so unruhig von einem Bein aufs andere trat, als stünde sie auf glühenden Kohlen. Oma Wetterwachs hob fragend die Brauen.
    »O ja«, versicherte Hilta schrill. »Die Zoons genießen einen guten Ruf.«
    »Mmpf«, machte Granny. Sie drehte sich auf den Absätzen um und marschierte mit langen Schritten in die Stadt zurück. Der Dockmeister sackte seufzend in sich zusammen und erweckte den Eindruck, als habe man ihm gerade einen Kleiderbügel aus dem Hemd gezogen.
    Hilta wohnte über einem Kräuterhändler, hinter einer Gerberei, und die Fenster ihrer Zimmerflucht gestatteten einen weiten Blick über die Dächer von Ohulan. Sie mochte ihr Heim, denn dort konnte sie in aller Ruhe ihre anspruchsvolleren Kunden empfangen, die sie folgendermaßen beschrieb: »Es sind Leute, die sich für ganz besondere Dinge interessieren, bei der Auswahl nicht gern gestört werden möchten und großen Wert auf Diskretion legen.«
    Oma Wetterwachs sah sich im Wohnzimmer um und machte keinen Hehl aus ihrem Abscheu. Es gab entschieden zu viele Troddeln, Perlenschnurvorhänge, astrologische Diagramme und schwarze Katzen. Granny konnte Katzen nicht ausstehen. Sie schnupperte.
    »Ist das die Gerberei?«, fragte sie vorwurfsvoll.
    »Weihrauch«, erklärte Hilta. Sie hielt der Verachtung ihrer Kollegin tapfer stand. »So etwas gefällt den Kunden«, fügte sie hinzu. »Es bringt sie in die richtige Stimmung, wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Es sollte doch eigentlich möglich sein, sich den Lebensunterhalt auf anständige Weise zu verdienen, Hilta – ohne derart banale Tricks«, sagte Granny, nahm Platz und nahm die langwierige und komplizierte Aufgabe in Angriff, ihre Hutnadeln zu entfernen.
    »Das Leben in Städten ist für uns Hexen nicht leicht«, verteidigte sich Hilta. »Man muß mit der Zeit gehen.«
    »Ich bin strikt dagegen. Wozu gibt es denn Traditionen? Hast du den Kessel aufgesetzt?«
    Granny beugte sich vor und nahm die Samthülle von Hiltas Kristallkugel. Es handelte sich um einen kopfgroßen Quarzball.
    »Hab’ noch nie viel von diesem blöden Siliciumzeug gehalten«, brummte sie. »In meiner Jugend genügte eine Schüssel mit Wasser und ein Tropfen Tinte. Na ja, mal sehen …«
    Konzentriert starrte sie in die Kugel und benutzte sie

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