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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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als einen Fokus, um festzustellen, wo sich Eskarina aufhielt. Nun, Kristallkugeln haben selbst unter normalen Umständen ihre Tücken, und wenn man sie längere Zeit betrachtet, so braucht man kein Hellseher zu sein, um eine ausgewachsene Migräne zu prophezeien. Granny mißtraute ihnen: Ihrer Ansicht nach kamen sie Zauberei verdächtig nahe. Und wenn man nicht die angebrachte Vorsicht walten ließ, so befürchtete sie, saugten sie einem den Verstand aus dem Schädel, wie eine Wellhornschnecke aus ihrem Gehäuse.
    »Das verdammte Ding funkelt zu sehr«, beschwerte sie sich, hauchte auf das blitzende Glas und rieb mit dem Ärmel daran. Hilta blickte ihr über die Schulter.
    »Ich glaube, es ist kein normales Funkeln«, sagte sie langsam. »Bestimmt bedeutet es irgend etwas.«
    »Was denn?«
    »Keine Ahnung. Soll ich’s mal versuchen? Die Kugel ist an mich gewöhnt.«
    Hilta verscheuchte eine Katze vom anderen Stuhl, setzte sich und starrte in die kristallene Tiefe.
    »Hmphf, meinetwegen«, erwiderte Oma Wetterwachs. »Aber ich bezweifle, ob du …«
    »He, einen Augenblick! Da formt sich ein Bild.«
    »Ich sehe nur das verflixte Funkeln«, beharrte Granny. »Silberstaub, der dauernd hin und her wogt, wie das Schneetreiben in kleinen Schaugläsern. Eigentlich recht hübsch.«
    »Ja, aber hinter den Flocken …«
    Granny kniff die Augen zusammen. Und beobachtete folgendes:
    Aus größer Höhe blickte sie auf eine weite Landschaft hinab, die sich in dunstiger Tiefe erstreckte. Ein breiter Fluß kroch wie eine betrunkene Schlange durch Täler und Schluchten. Silbrige Lichter tanzten im Vordergrund, aber es handelte sich nur um wenige Funken, die auf eigene Faust dahinstoben. Die überwiegende Mehrheit des flackernden Gleißens bildete eine lange Spirale, die wie ein Schnee hustender greiser Tornado aussah und bis zum Strom hinabreichte. Oma Wetterwachs sah noch genauer hin und erkannte einige dunkle Flecken auf dem glitzernden Wasser.
    Gelegentlich zuckten seltsame Blitze durch das trichterförmige Wabern und Wallen.
    Granny zwinkerte und hob den Kopf. Plötzlich schien es im Zimmer stockfinster zu sein.
    »Komisches Wetter«, sagte sie, weil ihr nichts Besseres einfiel. Sie schloß die Lider, aber das brodelnde Irrlichtern setzte sich vor ihrem inneren Auge fort.
    »Ich glaube, es ist gar kein Wetter«, entgegnete Hilta. »Ich vermute sogar, normale Menschen können überhaupt nicht sehen, was uns der Kristall zeigt – Magie, die aus der Luft kondensiert.«
    »In den Zauberstab?«
    »Ja. Es gibt keine andere Erklärung. Irgendwie destilliert er magische Energie.«
    Granny riskierte einen neuerlichen Blick in die Kugel. »Und Esk nimmt sie auf«, sagte sie leise.
    »Ja.«
    »Eine ziemliche Menge, wenn du mich fragst.«
    »In der Tat.«
    Nicht zum erstenmal wünschte sich Oma Wetterwachs genauere Kenntnisse darüber, wie Zauberer ihre Magie beschworen. Sie stellte sich vor, wie sich Eskarinas Körper immer mehr mit thaumaturgischer Kraft füllte, alle Sehnen, Muskeln und Knochen damit auflud. Was geschieht mit Regenfässern während eines Gewitters? Genau: Sie laufen irgendwann über (wenn sie nicht vorher vom Blitz getroffen werden). Und dieses Schicksal drohte auch Esk. Eher früher als später würde die Magie aus ihr heraustropfen und hier und dort zu peripheren Veränderungen in der Wirklichkeit führen. Doch irgendwann mußte eine verheerende Entladung folgen, die das okkulte Gefüge des ganzen Universums durcheinanderbringen konnte. Granny schauderte unwillkürlich, als sie an die Konsequenzen dachte.
    »Verflixt!«, sagte sie. »Der Stab war mir von Anfang an unsympathisch.«
    »Wenigstens ist Esk auf dem Weg zur Unsichtbaren Universität«, warf Hilta ein. »Dort weiß man sicher, wie man solche Probleme löst.«
    »Mag sein. Nun, der Kahn fährt flußabwärts. Wie viele Meilen hat er wohl schon zurückgelegt?«
    »Etwa zwanzig. Solche Boote sind kaum schneller als ein Fußgänger. Die Zoons haben es nicht eilig.«
    »Na schön.« Granny stand auf und schob das spitze Kinn vor. Entschlossen griff sie nach dem Hut und ihrem großen Sack. »Eins steht fest: Ich bin recht flink auf den Beinen«, sagte sie. »Außerdem brauche ich nicht den vielen Flußbiegungen zu folgen. Ich nehme die Abkürzung: Luftlinie.«
    Hastig fügte sie hinzu: »Auf dem Boden.«
    »Du willst Esk zu Fuß folgen?«, entfuhr es Hilta entsetzt. »Aber die dunklen Wälder und wilden Tiere …«
    »Sind mir nur recht. Kann mir bestimmt nicht

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