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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Einem Telepathen bietet sich der menschliche Geist als ein Tollhaus dar. Er ist ein Hauptbahnhof, in dem alle Lautsprecher gleichzeitig dröhnen und etwa tausend (vielleicht auch zweitausend) Passagiere versuchen, sich gegenseitig zu übertönen. Er ist wie ein Konzentrat aller UKW-Frequenzen: Rund siebenundachtzig Sender wetteifern um die Gunst der Zuhörer, die gerade eine Versammlung veranstalten und sich mit Walkie-talkies verständigen.
    Granny schickte magische Ohren auf die Suche nach Eskarina; ebensogut hätte sie versuchen können, einen Strohhalm in einem Heuhaufen zu finden.
    Der erhoffte Erfolg blieb natürlich aus. Aber die vielen Gedankenfetzen, die ihr durch den thaumaturgisch-telepathischen Äther entgegenwehten, überzeugten sie davon, daß die Welt tatsächlich so verrückt war, wie sie es schon seit langem vermutete.
    Sie traf Hilta an der nächsten Abzweigung. Die Kollegin hielt einen Besen in der Hand, mit dem sie mehrmals die gesamte Stadt überflogen hatte. Sie mußte dabei äußerste Vorsicht walten lassen: Die Männer von Ohulan wußten zwar Bleib-lange-oben-Salbe zu schätzen, aber von fliegenden Frauen hielten sie nicht viel.
    Hilta Ziegenfinder schnitt eine Grimasse und schüttelte verzagt den Kopf.
    »Du hast also keine Spur von ihr entdeckt«, stellte Granny fest. »Bist du unten am Fluß gewesen? Vielleicht ist sie hineingefallen.«
    »Das hätte der Zauberstab bestimmt nicht zugelassen. Außerdem kann sie schwimmen. Nein, ich glaube, sie versteckt sich. Verflixt!«
    »Was sollen wir jetzt tun?«
    Granny bedachte ihre Kollegin mit einem tadelnden Blick. »Du brauchst nicht gleich zu verzweifeln, Hilta Ziegenfinder! Sieh mich an: Ich bin völlig ruhig und gelassen!«
    Hilta musterte sie eingehend.
    »Und was ist mit deinen Lippen, hm? Sie bilden einen dünnen Strich.«
    »Ärger, weiter nichts.«
    »Manchmal kommen Zigeuner zum Markt. Vielleicht haben sie Esk geschnappt und fortgebracht.«
    Was Städter anging, hielt Oma Wetterwachs praktisch alles für möglich. Doch Zigeuner gehörten nicht zu jener exotischen Welt.
    »Dann sind sie ein ganzes Stück blöder, als ich bisher annahm«, erwiderte sie scharf. »Immerhin hat sie ihren Stab.«
    »Und was nützt er ihr?«
    Hilta war den Tränen nahe.
    »Ich glaube, du hast mich noch immer nicht verstanden«, sagte Granny streng. »Ich schlage vor, wir gehen zu dir und warten.«
    »Worauf?«
    »Auf Schreie und Feuerbälle oder etwas in der Richtung«, erklärte Oma Wetterwachs und machte eine vage Geste.
    »Du bist herzlos!«
    »Ich glaube, das Mitleid sollten wir uns für die Leute aufsparen, die Esk begegnen. Flieg du voraus und häng den Kessel ins Feuer. Ich komme zu Fuß nach.«
    Hilta warf ihr einen verwirrten Blick zu und hockte sich auf den Besenstiel, der zögernd aufstieg und unsicher durch die Dunkelheit torkelte. Wenn man Hexenbesen mit Autos vergleichen konnte, so handelte es sich in diesem Fall um einen halb verrosteten 500er Fiat.
    Granny sah Hilta nach, stapfte dann übers feuchte Pflaster und entschied, das Fliegen weiterhin zu hassen. Wie herrlich zuverlässig waren doch zwei lange stelzenartige Beine!
     
    Eskarina drehte sich auf die Seite und versuchte, dem muffigen Geruch der Laken keine Beachtung zu schenken. Nach einer Weile streckte sie die Hand aus und tastete nach dem Zauberstab, der neben dem Bett an der Wand lehnte. Frau Skiller hatte sie mit bemerkenswerter Beharrlichkeit darum gebeten, ihn nach unten bringen zu dürfen, aber Esk wollte sich auf keinen Fall von ihm trennen. Er war das einzige Ding auf der ganzen Welt, das allein ihr gehörte.
    Sie fühlte sich sonderbar erleichtert, als sie das glatte Holz mit den eigentümlichen Schnitzmustern berührte. Nach einer halben Ewigkeit schlief sie endlich ein. Seltsame Traumbilder durchzogen ihren ruhenden Geist. Sie sah Armreifen, seltsame Bündel und Rucksäcke, hohe Berge. Sie betrachtete ferne Sterne über schneebedeckten Gipfeln, eine kalte Wüste, in der unheilvolle Geschöpfe durch trockenen Sand krochen und sie aus großen Insektenaugen anstarrten …
    Eine Treppenstufe knarrte. Kurz darauf eine andere. Stille folgte – die raschelnde, nervöse Stille eines Menschen, der versucht, nicht das geringste Geräusch zu verursachen.
    Leise öffnete sich die Tür. Skillers Gestalt bildete einen dunklen Schatten vor dem Kerzenschein im Treppenhaus. Stimmen flüsterten, und kurz darauf schlich der Wirt auf Zehenspitzen durchs Zimmer. Der Zauberstab glitt zur Seite, als

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