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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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haben. Ich wäre an einem Kauf interessiert und bereit, dir dafür … Ist mit den Augen des Mädchens irgend etwas nicht in Ordnung?«
    Eskarina probierte gerade einen neuen Blick aus, und Amschat gab ihr einen behutsamen Stoß.
    »Ähem«, räusperte sich der Prüfer erleichtert, »nun, ich bin bereit, dir dafür … zwei Batzen Silber zu bezahlen.«
    »Ich verlange fünf«, sagte der Zoon freundlich.
    »Und ich möchte einen der Kristalle für mich«, warf Esk ein. Der alte Mann breitete die Arme aus.
    »Aber sie sind doch bloß… eigenartig«, sagte er. »Haben nur für Sammler einen Wert.«
    »Ein Sammler könnte auf den Gedanken kommen, sie einem nichtsahnenden Interessenten als kostbare Ultramarine oder gar Diamanten zu verkaufen«, erwiderte Amschat. Und fügte im Plauderton hinzu: »Insbesondere dann, wenn er der einzige Prüfer in der Stadt ist.«
    Der alte Mann brummte etwas Unverständliches. Man einigte sich schließlich auf drei Batzen und einen Spirkel für Esk. Der Prüfer befestigte ihn an einer dünnen Silberkette.
    Als sie außer Hörweite waren, blieb Amschat stehen, reichte Eskarina die Münzen und sagte: »Hier, nimm! Du hast sie dir redlich verdient. Aber …«
    Er ging in die Hocke und sah ihr in die Augen. »Bitte erklär mir, wie du die Spirkel als solche erkannt hast.«
    Er schien besorgt zu sein, und Esk befürchtete, daß ihm die Wahrheit nicht gefallen hätte. Die meisten Menschen fühlten sich nicht wohl in ihrer Haut, wenn sie Magie begegneten. Amschat war ein kluger und gescheiter Mann, und deshalb konnte sie nicht einfach antworten: »Spirkel sind Spirkel, und Ultramarine sind Ultramarine. Es mag zwar den Anschein haben als sähen sie gleich aus, aber wenn man richtig hinsieht, erkennt man die Unterschiede. Nichts kann sich perfekt tarnen.«
    Statt dessen erwiderte Eskarina: »Dort, wo ich geboren wurde, graben Zwerge nach Spirkeln. In meiner Heimat wissen alle, daß solche Kristalle das Licht auf eine ganz besondere Weise brechen.«
    Amschat musterte sie eine Zeitlang und hob die Schultern.
    »Na gut«, sagte er, »in Ordnung. Nun, ich habe hier noch einiges zu erledigen. Warum kaufst du dir nicht einige neue Sachen oder so? Ich sollte dich eigentlich vor betrügerischen Händlern warnen, aber ich glaube, du läßt dich nicht so einfach übers Ohr hauen, oderwas?«
    Esk nickte, und Amschat wanderte über den Marktplatz. An der ersten Ecke verharrte er, sah nachdenklich zu dem Mädchen zurück und verschwand in der Menge.
     
    Sie seufzte philosophisch und begann damit, die Möglichkeiten der Stadt zu erforschen.
    Der Zauberstab stellte ein gewisses Problem dar. Sie hatte ihn in der Wolle auf dem Kahn zurückgelassen, und vermutlich dauerte es noch eine Weile, bis man sie entlud und an Land brachte. Wenn Esk zurückkehrte, um ihn zu holen, würde man ihr gewiß einige Fragen stellen, und bedauerlicherweise wußte sie keine Antworten darauf.
    Kurze Zeit später fand sie eine schmale Gasse und schritt an den dunklen Hauswänden entlang, bis sie eine geeignete Nische entdeckte.
    Wenn eine Rückkehr aufs Boot nicht in Frage kam, blieb nur eine Alternative übrig. Eskarina streckte den Arm aus und schloß die Augen.
    Ihr Wunsch verwandelte sich in ein kontrastreiches klares Bild vor dem inneren Auge. Der Zauberstab durfte kein Loch in die Plane reißen, durch die Luft fliegen und die Aufmerksamkeit der ganzen Stadt erwecken. Esk wollte nur eine kleine Veränderung in der allgemeinen Organisationsstruktur der Welt herbeiführen. Sie stellte sich einen Kosmos vor, in dem der Stab nicht mehr inmitten von Wolle ruhte, sondern sich in ihrer Hand befand. Eine winzige Modifikation der Realen Wirklichkeit, des Jetzt-Hier-Und-Dort. Weiter nichts.
    Esk mangelte es an einer angemessenen Ausbildung, und daher wußte sie nicht, daß so etwas unmöglich war. Jeder halbwegs begabte Zauberer lernte, wie man Dinge bewegte – die Skala begann mit Protonen und zwar nach oben hin offen. Aber wenn man irgend etwas von A nach Z befördern wollte, so geboten die elementaren Gesetze der Physik, daß der betreffende Gegenstand den Rest des Alphabets nicht einfach überspringen durfte. Wenn etwas bei A verschwinden und bei Z wieder feste Gestalt annehmen wollte, mußte zunächst die ganze Realität dazwischen beiseite geräumt werden. Die fatalen Folgen, die sich daraus ergäben, sollen hier nur mit den Stichworten Massenkontraktion, Temporalschrumpfung, globale Deformation und organisch-biologische Regression

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