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Das Erbe des Zauberers

Das Erbe des Zauberers

Titel: Das Erbe des Zauberers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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zu leisten). Sie nahmen sogar lange Nächte im eher unbequemen Freien in Kauf, um ganz gewöhnliche, bis zum Rand gefüllte Schmuckkästchen zu erbeuten.
    Zemphis war also ein Ort, in der sich Karawanen teilten, ihre Waren gegen andere eintauschten oder in bare Münze verwandelten. Wenn die Händler und Reisenden die Stadt nach dem Markt verlassen wollten, bildeten sie wieder große Gruppen, um sich vor den Unterprivilegierten zu schützen, die am Straßenrand lauerten und ihre Messer wetzten. Esk bahnte sich unbeachtet einen Weg durchs Gedränge und brachte alles das in Erfahrung, indem sie an den Ärmeln von Leuten zupfte, die ihr wichtig erschienen.
    Diesmal fiel ihre Wahl auf einen Mann, der gerade einen großen Stapel Tabaksballen zählte und sicher auch die richtige Summe erhalten hätte, wenn er nicht gestört worden wäre.
    »Bitte?«
    »Ich habe gefragt, was hier los ist.«
    Der Mann wollte erwidern: »Hau ab und fall jemand anders auf die Nerven.«
    Er erwog auch die Möglichkeit, das Mädchen mit einem Klaps zu verscheuchen. Deshalb war er ziemlich überrascht, als er sich bückte und bereitwillig Antwort gab. Er sah ein schmuddelig wirkendes Kind, das einen großen Besen hielt – der, wie ihm später auffiel, ebenfalls interessiert zuzuhören schien.
    Er erklärte die Sache mit den Karawanen. Esk nickte. »Die Leute reisen gemeinsam?«
    »Ja.«
    »Wohin?«
    »Oh, nach verschiedenen Orten: Sto Lat, Pseudopolis … natürlich auch nach Ankh-Morpork …«
    »Aber der Strom fließt doch dorthin«, wandte Esk verwundert ein. »Die Zoon brauchen ihre Kähne nur treiben zu lassen, um jene Stadt zu erreichen.«
    »Äh, das stimmt schon«, sagte der Kaufmann. »Aber sie verlangen hohe Gebühren für eine Passage und können nicht alles befördern. Außerdem traut ihnen kaum jemand.«
    »Aber sie sind sehr ehrlich.«
    »Nun, äh, mag sein. Doch du kennst sicher das Sprichwort: Vertraue nie einem ehrlichen Mann.«
    Er lächelte wissend.
    »Wer behauptet das?«
    »Äh, tja, die Leute.«
    Der Kaufmann fühlte sich aus dem Konzept gebracht und runzelte unsicher die Stirn.
    »Oh«, entgegnete Eskarina. Sie dachte darüber nach. »Müssen sehr dumme Leute sein«, meinte sie schließlich. »Wie dem auch sei: besten Dank.«
    Der Mann sah ihr nach, als sie fortging, wandte sich dann wieder den Tabaksballen zu. Kurz darauf spürte er, wie ihn jemand an der Jacke zog.
    »Siebenundfünfzigsiebenundfünfzigsiebenundfünfzigja?«, fragte er und versuchte, die Zahl im Kopf zu behalten.
    »Entschuldige bitte, daß ich dich noch einmal belästige«, sagte Esk. »Aber die Ballen …«
    »Was ist damit siebenundfünfzigsiebenundfünfzig?«
    »Nun, ich weiß nicht so recht: Ist es normal, daß kleine weiße Würmer darin herumkriechen?«
    »Siebenundfünf … was?« Der Kaufmann ließ seine Schiefertafel sinken. »Was für Würmer?«
    »Kleine und weiße«, wiederholte das Mädchen hilfsbereit. »Fressen sich mit ziemlichem Appetit durch die Blätter.«
    »Meinst du etwa Fadenwürmer, die eine Vorliebe für Tabak haben?«
    Aus weitaufgerissenen Augen starrte er auf die Ballen, die gerade ausgeladen wurden. Erst jetzt bemerkte er, daß der Verkäufer wie ein nervöser Kobold aussah, der gerade jemandem Feengold angedreht hatte. Und Feengold, das ist allgemein bekannt, löst sich am Morgen in Luft auf – oder verwandelt sich in etwas, ja, Gräßliches. »Er hat mir versichert, der Tabak sei sorgfältig gelagert gewesen und … Woher willst du das überhaupt wissen?«
    Aber das Mädchen war in der Menge verschwunden. Der Kaufmann starrte auf die Stelle, wo es eben noch gestanden hatte. Er starrte den Verkäufer an, der sich ein ebenso mühevolles wie beunruhigtes Lächeln abrang. Er starrte zum Himmel hinauf. Dann holte er ein Messer hervor, starrte eine Zeitlang ins Leere und schien einen Beschluß zu fassen. Zögernd trat er auf den nächsten Ballen zu.
    Unterdessen wanderte Esk über den Marktplatz, sperrte beide Ohren auf und hörte bald, welche Reisegruppe sich auf den Weg nach Ankh-Morpork machen wollte. Der Karawanenführer saß an einem improvisierten Tisch, der aus einem breiten Brett bestand, das auf zwei Tonnen lag.
    Er war beschäftigt.
    Er sprach mit einem Zauberer.
    Erfahrene Reisende wissen selbstverständlich, daß eine Karawane nur dann Aussicht hat, ihr Ziel ohne unliebsame Zwischenfälle (zum Beispiel durchgeschnittene Kehlen, verbrannte Wagen und – natürlich – geraubte Kostbarkeiten) zu erreichen, wenn sie von

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