Das Erbe des Zitronenkraemers
eine heiße Spur. Michael Kimmlinger hatte sich als Hauptverdächtiger erwiesen; in jener Nacht, als die Ware aus Wien angeliefert werden sollte, hatte er Nachtdienst gehabt und somit den Schlüssel zum Tresor. Nach Aussagen seines Kollegen habe er die Ware schlampig in Empfang genommen. Auch hatte er berichtet, der Schmuck sei gegen 2.00 Uhr nachts, also erheblich verspätet, angeliefert worden. Die Ehefrau des Kollegen hatte bestätigt, dass ihr Mann bereits gegen 2.30 Uhr selig neben ihr geschlafen habe.
Jutta Hütten dagegen hatte erst kurz nach 3.00 Uhr ihren Freund Michael Kimmlinger zuhause begrüßen können. Demnach war Kimmlinger mehr als eine halbe Stunde Zeit geblieben, sich nochmals in das Museum zurückzuschleichen, einen Teil des Schatzes zu entwenden und zu verstecken und sich dann seelenruhig nach getaner Arbeit ins Bett zu legen.
Nicht nur die kleinen Fische wolle man haben, hatte Bersin lachend gegluckst, nein, dem großen Fisch sei man nun ebenfalls auf den Fersen, oder besser gesagt auf den Flossen. Man sei schließlich doch auf eine heiße Spur gestoßen, denn die Anwälte der Familie Steinmetz hätten ein äußerst interessantes Dokument vorlegen können. Dieses Dokument sei der Auslöser dafür gewesen, dass das Wiener Museum den Schatz nach monatelangem Ringen letztendlich freigegeben hatte. Jedoch, und das sei das eigentlich Interessante daran, bei dem Dokument habe es sich um eine Fälschung gehandelt.
Wenn dieser wahnsinnige Kerl doch endlich reden würde, dachte Lenz verdrossen. Schönemann ist der Schlüssel zu allem. Lenz brauchte unbedingt eine Bestätigung. Er stellte sich Schönemann wie Hannibal Lector hinter einer Gittermaske aus Sicherheitsstahl vor. Mensch, jetzt habe ich auch noch einen Wahnsinnigen nötig, um einem anderen Verrückten auf die Fährte zu kommen! Bin ich denn Agent Sterling?
Kopfschüttelnd schob Lenz den unangenehmen Gedanken beiseite. Ich muss Schönemann nun endlich knacken!, motivierte er sich. Ein bisschen Drohen hier und gleichzeitig ein wenig Ködern da, das hat noch keinem Verhör geschadet, überlegte er listig.
„Wann genau haben Sie ihn denn als Killer engagiert?“ Lenz‘ Frage kam vollkommen unerwartet.
Schönemann sprang so abrupt auf, dass sein Stuhl nach hinten wegkippte. „Das habe ich nicht!“, entrüstete er sich. „Welches Interesse sollte ich daran haben, Harenberg umzubringen?“ Lenz raufte sich die Haare. „Nun, vielleicht, weil er damals ihren tollen Plan vereitelt und sie im Stollen kampfunfähig geschlagen hat“, trumpfte der Kommissar auf. Schönemann druckste. Da ist was Wahres dran, überlegte er. Vielleicht hat der Harenberg wirklich den Tod verdient. Ohne ihn wäre alles anders ausgegangen. Ich hätte schon längst meinen Schmuck und wäre immer noch ein freier Mann.
Wenn ich jetzt kooperierte, würde ich vielleicht wieder auf freiem Fuß sein; nein, abstruser Gedanke. Ich hätte noch immer den Mord an Bernd Steinmetz an der Backe und würde weiterhin als verrückt und allgemeingefährlich gelten. Nee, nee, irgendwann werde ich hier schon wieder rauskommen. Dann habe ich wenigstens etwas, auf das ich mich freuen kann. Außerdem habe ich dann ausgesorgt und muss nie wieder in einem Laden nervige Kundschaft bedienen.
Also, vielleicht ist es doch besser, dem da draußen zu vertrauen und so wenigstens den Schmuck einzukassieren, schlussfolgerte Schönemann.
Genau, ich sollte ihn einfach machen lassen. Eine andere reelle Chance habe ich nicht, und das mickrige Leben von diesem Harenberg ist mir doch egal.
Lenz stoppte Schönemanns verzweifelte Überlegungen.
„Und wissen Sie was, so ein Auftragsmord ist ebenfalls eine Straftat; auch wenn Sie nicht selbst Hand angelegt haben, wird Sie die volle Härte des Gesetzes treffen. Dafür werde ich schon sorgen! Dann kommen Sie niemals mehr hier raus, das verspreche ich Ihnen, auf meine Kommissars-Ehre!“
Schönemann gewann den Eindruck, der Beamte wolle ihn gleich fressen.
„Es ist Gefahr im Verzug“, fuhr Lenz fort, es geht um ein Menschenleben. Sagen Sie uns endlich, wer dieser Kerl ist, und ich verspreche ihnen, alles Menschenmögliche für Sie zu tun.“
Lenz sah Schönemann auffordernd in die Augen.
Eben hatte der Kommissar die Peitsche eingesetzt, jetzt war also das Zuckerbrot an der Reihe. Schönemann überlegte, er schwankte hin und her. Was soll ich nur tun? Wem soll ich vertrauen? Der Kerl dort draußen ist mir schließlich schon ein bisschen
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