Das Erbe des Zitronenkraemers
den Aufnahmen. Er traute seinen Augen kaum. Tränen füllten seine Augen, als er flüsterte: „Sie haben es tatsächlich geschafft?“
Der Mann räusperte sich. „Nun, zum Teil, alles habe ich noch nicht, aber es wird gut werden.“
Schönemann entging nicht, dass eines der Bilder auf der Rückseite beschrieben war. Demütig, fast kriecherisch fragte er den Wärter, ob er die Bilder behalten dürfte. Dieser überflog die Abbildungen mit einem kurzen Blick und nickte.
Beide Männer erhoben sich. Schönemann drückte seinem Besucher zum Abschied fest die Hand, und dieser sah ihm eindringlich in die Augen. „Es ist sehr, sehr wichtig, dass wir uns gut verstehen.“
„Oh ja, ja ...", stammelte Schönemann beflissen.
Er hatte diesen Mann unterschätzt.
Allein auf seinem Zimmer las Schönemann die Nachricht auf der Rückseite des Bildes. Es handelte sich um die Personenbeschreibung eines Mannes, der ihm vollkommen unbekannt war. Was soll ich damit?, wunderte er sich.
Doch wenig später ging ihm ein Licht auf; ihm wurde klar, er sollte diese Beschreibung der Polizei weitergeben, um sie auf eine falsche Fährte zu locken. So würde sie die wahre Identität seines mysteriösen Besuchers niemals in Erfahrung bringen.
Genau so werde ich es machen! Schönemann studierte die Fotos. Immer und immer wieder. Trotzdem erkannte er die darauf abgebildeten Schmuckstücke nicht wieder. Nichts passte. Seine Erinnerung an die Beschreibungen der Stücke im Tagebuch war eine andere.
Vielleicht ist das hier ja gar nicht mein Schmuck. Vielleicht spielt der Kerl doch ein doppelzüngiges Spiel. Am Ende ist er nur zu seinem eigenen Vorteil unterwegs und benutzt mich, um mit heiler Haut davonzukommen.
„Was tun?“, fragte sich Schönemann und las noch einmal die Personenbeschreibung. Etwa einen Meter siebzig groß, eher mager, schmales, längliches Gesicht, blasse, unreine Haut. Längeres blondes, feines, zum Fetten neigendes Haar. Schönemann geriet ins Stocken; dies war die Beschreibung eines Typen, den er nicht unbedingt beneidete, den er aber auch beim besten Willen nicht kannte.
Im Vergleich dazu stellte er sich nun seinen Besucher vor und versuchte, ihn sich so exakt wie möglich ins Gedächtnis zu rufen.
Kapitel 32
Kommissar Lenz fühlte sich in dieser piekfeinen Umgebung unwohl. Fast schämte er sich ein wenig wegen seiner abgetragenen Lederjacke und der Turnschuhe.
Aber nun ist es nicht zu ändern, dachte er, heute hatte er in der privilegierten Gesellschaft zu ermitteln. Sein Gesprächspartner zeigte sich offen und kooperativ, auch wenn er nicht viel zur Aufklärung beitragen konnte, wie Lenz schmerzlich bewusst wurde. Im Grunde war dieser Besuch beim Notar Dr. Joachim Mezza vertane Zeit, das hatte Lenz sich gleich gedacht. Aber er musste nun einmal jedem noch so unbedeutendem Hinweis nachgehen.
Der tatverdächtige Michael Kimmlinger hatte die Polizei auf diese kalte Spur geführt. Er hatte behauptet, keineswegs der Einzige gewesen zu sein, der Einblicke in das Tagebuch von Ambrosius Carove gehabt hatte. Er habe das alte Buch Dr. Mezza überlassen, damit dieser ihm bei der Übersetzung behilflich sein konnte.
Von seiner Freundin Jutta sei er darüber informiert worden, dass der Notar auf diesem Gebiet versiert war, schließlich hatte er vor geraumer Zeit bereits die Besitzurkunden für Anne bearbeitet.
Dr. Mezza brachte sein Bedauern darüber zum Ausdruck, was Anne Seifert und ihr Lebensgefährte zurzeit durchmachen mussten.
Natürlich vergaß Lenz nicht, nach Alibis für die entsprechenden Tatzeiten zu fragen.
Umständlich setzte Mezza seine Hornbrille auf und blätterte in seinem Terminbuch.
„Also“, legte der Kommissar pflichtbewusst los, „wo waren Sie am Samstag, den 10. Oktober, in der Zeit von 16.00 bis 19.00 Uhr? Dies war der Tag, an dem Martin Krischel ermordet wurde.“
„Warten Sie“, murmelte Mezza und versenkte seine Nase in die Seiten. „Ha! Da haben wir es“, rief er erfreut und hielt Lenz die entsprechende Notiz unter die Nase. „Juristenkongress in Koblenz. Ich schätze mal so etwa 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Ich hielt einen Vortrag in Erbrechtsfragen.“
Der Kommissar brummelte zufrieden und nannte ihm den nächsten Termin; Krischels Beerdigung.
Mezza blätterte einige Seiten vor.
„Golf“, erwiderte er mit einer Spur Genugtuung in der Stimme. „Zusammen mit den Rechtsanwälten Lehnertz und Gerber sowie Amtsrichter Teckel.“
„Ich denke, das reicht“,
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