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Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
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vernichtend, ja, aber Annie konnte sich in Doctor K hineinversetzen, verstand, dass er aus dem Konzept geriet und traurig war, dass ihn eine dumme Frage aus einem konstruktiven Gedankenfluss gerissen hatte.
    So etwas würde sie natürlich niemals sagen – denn das würde sich anhören, als wollte sie angeben und signalisieren, dass wenigstens sie so clever war, Doctor Ks sprunghaften Gedankengängen zu folgen. Aber eigentlich … dachte sie. Manchmal konnte sie ihm tatsächlich uneingeschränkt folgen, ganz gleich, was für Kapriolen sein Verstand schlug – und wenn er dann den Schwung verlor, konnte sie ihn wieder in Fahrt bringen. Und das war sehr belebend. Jedenfalls –
    »Sie sollten reingehen, meine Liebe.«
    Sie fuhr zusammen. Die Stimme ertönte direkt neben ihrem Ohr, mit der Folge, dass ihr das Herz heftig gegen die Brust schlug.
    Sie würde sich nie daran gewöhnen – diese eigenartige Intimität, die die Rex einem aufzwang. Das Schiff machte einen erstaunlichen Lärm, während es knirschend durch das Eis brach ›wie ein Riese, der Felsbrocken kaut‹ – das hatte sie irgendwo gelesen. Und es war nur das Geräusch vom Bug. Die Maschinen waren achtern, eine unaufhörlich startende Rakete, die die Decks zum Vibrieren brachte, während das Eis an den Seiten des Schiffes entlangschliff.
    Die Besatzung war offenbar an den Krach gewöhnt, und die Schneemänner auch, die schließlich schon viele Male auf einem Eisbrecher mitgefahren waren. Die Crew der Rex bestand aus acht Mann, und sie alle verwendeten anscheinend eine Art Zeichensprache, sodass sie sich, wenn sie sich laut verständlich machen wollten, nicht mit irgendwelchen einleitenden Worten abgaben: sie senkten einfach den Kopf und schrien einem ins Ohr.
    Es war eine sonderbare Intimität, den Atem des Mannes auf ihrer Haut zu spüren. Natürlich war sie so etwas nicht gewohnt. Selbst wenn sie damit rechnete, wenn einer von Ihnen den Kopf vorneigte, fuhr sie zurück, als wollte sie einem Kuss ausweichen. Und dann kam sie sich dumm vor. Und wurde rot, genau wie jetzt.
    Es war Mark, der Eisphysiker. Er neigte wieder den Kopf, und diesmal wich sie kaum zurück. »Auf ihrer Wange bilden sich schon Frostflecken.«
    Er richtete sich auf und legte einen behandschuhten Finger an seine Wange. Sie bedeutete ihm, sich vorzubeugen, damit sie ihm etwas sagen konnte, aber er schüttelte ungeduldig den Kopf und signalisierte ihr mit einer scheuchenden Bewegung, dass sie reingehen sollte. Sie zeigte auf Doctor K, aber Mark packte sie am Arm und schob sie in Richtung Tür.
    Kurz darauf kam er hinterher. In der warmen Luft dampfte ihre Kleidung so stark, dass es aussah wie Rauch.
    »Sind Sie etwa sein Babysitter?«, fragte er und deutete mit einem Nicken nach draußen.
    »Er würde nicht merken, wenn er Frostbeulen kriegt. Ich wollte bloß –«
    »Sie haben nicht gemerkt, dass Sie Frostbeulen kriegen.« Er nahm seine Schneebrille ab und inspizierte ihre Wange. »Nicht so schlimm. Und Sie können beruhigt sein – dem Professor geht es gut, ich habe nach ihm gesehen. Was haben Sie denn überhaupt da gemacht? Jemand hat mir gesagt, Sie wären schon über eine Stunde da draußen.«
    »Ich habe nach Wasser Ausschau gehalten«, sagte sie.
    »Ach, machen Sie sich deshalb keine Gedanken. Wir erreichen in einer halben Stunde Wasser – vielleicht früher.«
    Sie bedachte ihn mit einem skeptischen Blick.
    »Da ist ein Blink«, sagte er.
    Sie sah ihn nur an, unsicher, ob er sie verschaukeln wollte. »Ein Blink«, wiederholte sie.
    »Sie sind so misstrauisch! Kommen Sie«, sagte er, nahm sie am Arm und führte sie zu einem Bullauge. »Sehen Sie sich den Himmel an, direkt über dem Horizont. Sehen Sie die dunklen Formen?«
    Annie nickte. »Wir kriegen ein Unwetter«, sagte sie.
    Mark schüttelte den Kopf. »Wir kriegen kein Unwetter. Und das dahinten sind keine Wolken. Wie ich Ihnen dauernd klarmachen will, hier schneit es nicht oft. In Atlanta schneit es öfter. Die Arktis ist eine Wüste.«
    Annie spähte durch das Fernglas, das leicht getönt war, damit man nicht geblendet wurde. »Wieso sagen Sie, das sind keine Wolken? Schauen Sie sie doch an! Es sind Wolken.«
    »Das ist ein Widerschein. Bei Eis und Schnee gibt es Temperaturschichten in der Luft – und das verursacht bizarre Lichtbrechungen. Häufig kann man über den Horizont hinausblicken.«
    »Sicher«, sagte sie. »Und an einem klaren Tag kann man sogar die Zukunft sehen, was?«
    »Ich meine es ernst. Wenn

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