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Das erste der sieben Siegel

Titel: Das erste der sieben Siegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Case John F.
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Mit einem lauten Brummen beugte Daly sich vor und tippte Teil I. Dann drückte er die Return-Taste und machte sich an den Vorspann seines Artikels. Eine halbe Stunde später war ihm endlich ein Anfang gelungen, den er ganz passabel fand:
    (Schanghai) Sie nannten sie die ›Spanische Dame‹, obwohl die Bezeichnung alles andere als zutreffend war. Ihre Wurzeln lagen nämlich in China, nicht in Spanien, und eine Dame war sie weiß Gott nicht; sie war eine Killerin. Denn nachdem sie in die Staaten gekommen war, tötete sie innerhalb von wenigen Monaten mehr Amerikaner, als im Ersten Weltkrieg ums Leben gekommen waren. Und dabei fing das Miststück gerade erst an.
    Daly verschränkte die Arme und lehnte sich zurück. Lächelnd las er, was er geschrieben hatte, und dachte: Nicht schlecht. Guter Aufhänger. Nur dass er damit nicht durchkommen würde. Nicht mit so einer Zeile. Sie war zu frech. Eine Grimasse schneidend, ersetzte er ›das Miststück‹ durch ›sie‹ und tippte weiter.
    Dr. Liu Shin-Li, Leiter der Influenzaabteilung im Institut für Allergien und Infektionskrankheiten von Schanghai sagt, »die Spanische Grippe war eine der tödlichsten Pandemien der Menschheitsgeschichte und tötete dreißig Millionen Menschen auf der ganzen Erde.«
    Daly runzelte die Stirn und dachte: Schön wär’s. Shin-Lis Englisch war bei weitem nicht so gut, wie das Zitat glauben machte. Aber … so ungefähr hatte er das gesagt.
    Die Geschwindigkeit, mit der die Krankheit tötete, war ebenso verblüffend, wie das Virus tödlich war. In Westport, Connecticut, brach eine Frau beim Bridge tot zusammen. In Chicago winkte ein Mann am Straßenrand ein Taxi heran und starb, bevor er die Tür öffnen konnte. In London wehrte ein Torwart mit einer Parade den Ball ab – und war tot, als er auf den Boden aufschlug.
    Alle diese Leute waren angeblich bei guter Gesundheit – bis sie starben. Doch Millionen andere hatten weniger ›Glück‹, denn sie litten unter etlichen Symptomen, die so vielfältig waren, dass es den Anschein hatte, als wäre ein Dutzend Krankheiten im Spiel.
    Ein Arzt in New York berichtete, dass seine Patienten ›blau wie Heidelbeeren‹ seien und Blut spuckten. Häufige Symptome waren über vierzig Grad Fieber, Sturzblutungen aus der Nase, langanhaltendes Erbrechen und extremer Durchfall. In vielen Fällen kam es zu brandigen Genitalien, Leukopenie (eine Art umgekehrte Leukämie), plötzlicher Erblindung und zum totalen Hörverlust.
    Die Patienten schrien bei der geringsten Berührung vor Schmerzen auf, und die Ärzte standen bei dieser Krankheit, deren Symptome die von vielen anderen schrecklichen Erkrankungen nachahmten, vor einem Rätsel. In einem Militärstützpunkt wurden Hunderte von Soldaten irrtümlich gegen Chlorgasvergiftung behandelt, weil sie die entsprechenden Symptome zeigten. Andernorts wurden die Erkrankten am Blinddarm operiert oder auf Lungenentzündung, Cholera, Ruhr, Typhus oder Dreitagefieber behandelt. Die meisten Opfer, so stellte man schließlich fest, hatten sich förmlich zu Tode gehustet, waren an einer Mischung aus Blut und Schleim erstickt, weil ihre Lungen sich zu einer Masse wie ›Johannisbeergelee‹ auflösten.
    Das Akkulämpchen am Computer blinkte, und Daly sah auf seine Uhr. Es war kurz nach sieben, und er wurde langsam hungrig. Doch er kam mit dem Artikel gut voran, und außerdem war es draußen eiskalt. Er tippte weiter.
    Laut Dr. Shin-Li »beginnt die Ausbreitung des Virus zunächst bei den Wildenten, und davon haben wir hier in China mehr als sonstwo auf der Welt. Damit nicht genug – weil wir Hühner, Enten und Schweine zusammen züchten, kann das Virus von einer Tierart zur anderen hin und her wechseln, wobei es sich verändert.«
    Weil die Influenza ihre Form verändert und Tiere ständig Viren austauschen, kommt es häufig zu Mutationen. Im Gegensatz zu den äußerst stabilen Mikroben wie Pocken und Polio ist die Influenza ein RNS-Virus mit einer segmentierten chemischen Struktur, die durch äußerst schwache Verbindungen zusammengehalten wird. Da dem Virus die DNS-Funktion fehlt, die vor Mutationen schützt, ›ordnet es sich selbst‹ in seinen Wirtstieren ständig neu an. Das bedeutet, dass Segmente abbrechen und sich mit anderen Segmenten wieder verbinden und neue Grippevarianten erzeugen.
    Aufgrund dieses Charakteristikums ist die Wissenschaft gezwungen, jedes Jahr einen neuen Impfstoff zu entwickeln.
    Das Akkulämpchen leuchtete jetzt ununterbrochen, und Daly

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