Das Erste Horn: Das Geheimnis von Askir 1 (German Edition)
herbei.
»Habt Ihr auch solche Gabeln?« Er nickte, eilte fort und brachte mir sogleich ebenfalls eine Gabel. Sie zu benutzen war wirklich von Vorteil, man konnte die abgeschnittenen Bissen mit ihr leicht in den Mund befördern. Ich hatte von dieser neuen Mode gehört, sie allerdings für unnütz gehalten. Für das Essen am Feuer oder auf dem Marsch war es nach wie vor nichts, aber an einem Tisch mit Tellern machte es Sinn.
»Woher stammt diese Idee?«, wollte ich wissen.
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, von den Wyland-Inseln. Sie essen dort Tintenfisch, den sie in siedendem Öl kochen. Niemand will da hineingreifen und die Stücke herausnehmen, so entstanden diese Gabeln. Aber genau weiß ich es nicht.«
»Es ist schon verwunderlich, auf welche Ideen man kommen kann«, sagte ich. Der Braten war gut, die Gesellschaft noch besser. Sie aß mit erstaunlicher Hast und schien mit jedem Bissen mehr Farbe zurückzuerlangen.
»Gebt es zu. So eine Gabel ist praktischer als ein Mechanismus, der Glocken läutet.«
Ich lachte. »Ihr habt Recht, Sera.«
Sie gab Martin ein Zeichen, worauf dieser herbeieilte und uns etwas ungläubig musterte, als sie eine weitere Portion bestellte. »Diesmal mit mehr Fleisch.«
Er verbeugte sich, lief in Richtung Küche, warf noch einen letzten ungläubigen Blick über die Schulter auf Lea und verschwand dann, um nur wenige Minuten später mit einer weiteren Platte voller Braten zu erscheinen.
Ich sah ihr dabei zu, wie sie auch diese Platte restlos leerte. Nach dem letzten Bissen benutzte sie noch einen Kanten Brot, um die Platte sauber zu wischen, und lehnte sich dann zufrieden zurück.
»So, jetzt geht es mir wieder besser.« Sie rülpste wohlig und streckte sich, ein Vorgang, den ich ebenfalls mit Interesse betrachtete.
»Fühlt Ihr Euch stark genug, diesen Ingwerzauber zu vollführen?«, fragte ich sie.
»Ja.« Sie stand auf, ganz ohne meine Hilfe, was ich ein wenig bedauerte.
»Wenn man anschließend sofort etwas isst, erscheint es fast so, als würde das Essen einem die Kräfte unmittelbar zurückgeben. Aber wehe, man ist nicht im Stande, Nahrung aufzunehmen. Ich habe einmal fast einen Stein Gewicht verloren, nur weil ich vergaß, Proviant mitzuführen.«
Einen Stein? Ich musterte sie. Ich hatte sie ja bereits einmal getragen. Ich schätzte ihr Gewicht auf fünf Steine, so viel Gewicht zu verlieren … Ich hatte so etwas bei einigen Krankheiten gesehen. Wenn der Körper so aushungerte, war er schwach wie ein Windhauch.
»Ihr müsst nur noch Haut und Knochen gewesen sein.«
Sie streckte die Hand aus, und Steinherz sprang zu ihr. »Macht Euch keine Gedanken, Ser. Ich bin weitaus vorsichtiger geworden, auch heute hätte es nicht in einer Katastrophe geendet, ich hätte vielleicht nur lange geschlafen.«
Ein Schlaf jedoch, aus dem man nicht geweckt werden konnte, war mir grundsätzlich suspekt.
18. Ein kleiner Zauber
Als wir den Gastraum verließen, drehte ich mich aus einem Impuls heraus um. »Ich wünsche eine Gute Nacht!«, rief ich. »Mögen die Götter euch einen angenehmen Schlaf schicken und über euch wachen.« Überraschte Gesichter sahen auf, manche lächelten, einige nickten mir zu.
Ich sah Leas Blick. »Höflichkeiten schaden selten.«
»Ja«, stimmte sie zu. »Ein paar Worte, und man erntet ein Lächeln. Ich bin nur etwas überrascht.«
»Wir sind hier gemeinsam eingesperrt. Es kann nicht schaden, die Leute kennen zu lernen und Sympathien zu erhalten.«
»Ich bemerkte, dass Ihr die Knechte nach ihren Namen gefragt habt.«
»Vielleicht werden wir noch jeden guten Mann brauchen. Es könnte von Vorteil sein, wenn man sie kennt.«
»So spricht ein Anführer.«
Darauf antwortete ich nicht. Ich wollte nie mehr Anführer sein. Sie blieb im Gang zum Turm stehen. »Wart Ihr ein guter Anführer?«
»Nein.«
»Ich schätze, dass man Euch loyal folgte. Ihr habt etwas, das Vertrauen schenkt.«
Ich drehte mich zu ihr um. »Sera«, sagte ich. »Das Vertrauen, von dem Ihr sprecht, beinhaltet, dass der Anführer einem eine Chance zum Überleben gibt. Alles Vertrauen der Weltenscheibe nützt nichts, wenn man das Unglück nicht verhindern kann.«
»Warum seid Ihr bloß so verbittert?«
Ich packte sie fest an den Schultern. »Wartet es ab. Wenn die Truppen von Thalak mordend und plündernd durch unsere Lande ziehen, wenn Ihr die Leichenberge seht, die ein Krieg hinterlässt … Geht nach Kelar und schaut, was dort geschah. Wenn Euch das nicht berührt, habt
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