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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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den Lippenstift. Von Cartouche?«
    »Sie kennen sich aus.«
    »Und die Augenlieder nicht in diesem violett-braun. Japanische Geishas stehen drauf. Und vielleicht ein fetthaltiges Make-up, ihre Haut wird es Ihnen danken. Stand by nennt man es, glaube ich.«
    Sarah ging nicht auf die Kosmetikvorschläge ein. »Warum interessieren Sie sich so für mich?«
    Carmen sah Sarah lange an. Und diese hatte das Gefühl, als könne Carmen ganz tief in sie hineinschauen, in jeden Winkel, all ihre Geheimnisse und verborgenen Gedankengänge erahnen, ihre Empfindungen und ihre Befürchtungen.
    »Ich war am Ertrinken, und niemand hat mir einen Rettungsring zugeworfen«, antwortete Carmen zögernd. »Wie gerne hätte ich mit einer Freundin über mein Problem gesprochen. Einfach nur, um mich frei zu reden, um die Belastung abzubauen. Ich denke, dass Sie auch einen Rettungsring brauchen. Aber wenn nicht, und falls ich Ihnen zu aufdringlich erscheine, dann vergessen wir unser heutiges Gespräch und den kleinen Spaziergang. Und wir vergessen auch, falls wir uns das nächste Mal begegnen sollten, dass wir uns kennen.«
    An diesem Abend begann sie, wie schon viele, zu viele Abende zuvor, erneut mit ihrer Betäubungszeremonie. Sie aß nichts, trank ein Glas Sekt, noch ein zweites, versuchte zu lesen und schaltete schließlich den Fernseher ein. Von Sekt wechselte sie, als der Alkohol zu wirken begann, zu Bacardi mit Bitter Lemon. Irgendwann rutschte ihr das Buch aus der Hand, fiel auf ihren Fuß, dadurch wachte sie auf. Sie schlurfte leicht benommen ins Schlafzimmer, zog sich aus, schminkte sich im Bad ab, putzte die Zähne und ging zu Bett. Mit dem festen Vorsatz, sofort einzuschlafen, schloss sie die Augen und dachte an Blumen, eine saftig grüne Wiese, Wolken und an Carmen. Sie schlief auch schnell ein, allerdings nicht mit den Bildern, die sie sich gewünscht hatte. Wie so oft meldete sich die Vergangenheit. Und in ihrer Vergangenheit gab es viele Vorfälle, die tiefe Wunden gerissen hatten. Wunden, die sie zu verdrängen suchte und von denen sie aber auch wusste, sie würden sich nie schließen. Nie mehr in diesem Leben. Noch nicht einmal in ihren Träumen, die sie, wie so oft, in die Vergangenheit gleiten ließen.
    Auch heute begrüßte sie Henry wieder mit einer innigen Umarmung und einem Kuss, der sie schaudern ließ. Schaudern vor Lust und der Vorahnung, was noch alles an diesem Abend kommen würde. Und Henry gab ihr einen Blumenstrauß. Drei langstielige Baccara-Rosen. Sie dufteten sogar, hatten aber keine Dornen. Rosen ohne Dornen, das war für sie wie Liebe ohne Schmerz. Das war ihre Liebe.
    »Na, meine Prinzessin, wie war der Tag?« Er legte einen Arm um ihre Schulter und stellte sich mit ihr an die große Glasfront. Sie schauten hinunter auf die Saar und zum Hotel am gegenüberliegenden Ufer, eingerahmt von hohen Bäumen mit weiten, kahlen Kronen, dazwischen das markante Schieferdach mit den kleinen Gauben, die wie Augen wirkten.
    Sie schmiegte den Kopf an seinen Hals. »Ich hatte viel zu tun. Eine Unmenge an Telefonaten und dazu etliche Mails verschickt. Bis die mal etwas begreifen! Deinen Geburtstag wollen wir doch standesgemäß feiern.«
    »Wer hat zugesagt?«
    »Alle kommen, bis auf zwei.«
    »Dass heißt …«
    »… wir werden über hundert Gäste haben. Und dabei wirst du erst dreißig.« Sie zupfte an seinem Ohrläppchen.
    Henry seufzte. »Ja, dreißig. Manchmal komme ich mir vor wie fünfzig oder mehr. Der Job laugt dich aus und lässt dich schnell altern. Nicht körperlich, sondern hier.« Er tippte sich gegen die Stirn. »Da stehst du den ganzen Tag im Laden, hast blitzsaubere neue Autos zu günstigen Preisen und musst versuchen, es jedem Arsch recht zu machen. Nein, sie wollen nicht mit Schmittchen reden, sondern mit Schmitt. Dann springst du wie ein dressierter Affe, handelst einen Preis aus, gibst noch ein paar Extras dazu und willst unterschreiben. Doch plötzlich fangen sie an und wollen zuzüglich zum Rabatt noch eine Finanzierung oder ein Leasingangebot. ›Kümmern Sie sich doch bitte drum, Herr von Rönstedt. Dann geht alles in Ordnung‹. Scheiß drauf, nichts geht in Ordnung. Nicht einen Euro gibt die Bank. Und keine Leasinggesellschaft denkt auch nur im Traum daran, mit ihnen einen Vertrag zu machen. Verschuldet bis über den Schornstein. Nichts zu knabbern und zu beißen.
    Der Gerichtsvollzieher geht ein und aus. Und wenn du deinem Kunden das auch noch schonend beizubringen versuchst, mit viel

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