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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Taktgefühl und verklausuliert, kommt die schnippische Antwort, ›dann gehe ich eben zur Konkurrenz‹.«
    Sarah löste sich und kam mit einem Cognac zurück. Henry trank das Glas in einem Zug leer.
    »Und zwei Wochen später«, sprach er mit harter Stimme weiter, »stehen die gleichen Typen wieder vor der Tür und wollen mit dem neuen Modell eine Probefahrt machen. Heute habe ich zwei meiner Kunden rausgeschmissen. Fragt doch bitte bei der Sozialhilfe, habe ich gesagt, ›ob die nicht das Auto finanzieren wollen.‹ Und weißt du, was einer geantwortet hat?«
    Sarah schüttelte den Kopf.
    »,Die finanzieren nur deutsche Modelle und nicht die Scheiß Japaner.’ Da bin ich fast explodiert.«
    »Shogun ist doch eine koreanische Marke.«
    »Meinst du, die Deppen kennen den Unterschied zwischen Japan und Korea? Alles, was hinter dem Irscher Berg liegt oder zum Saargau in Richtung Mosel, ist für diese Penner Ausland. Frankfurt muss irgendwann kurz hinter Moskau kommen.
    Sie gingen ins Esszimmer. Auch während des Essens würde Henry den Tag noch einmal Revue passieren lassen. Er brauchte dies als Ventil, um abzuschalten, seinen Ärger loszuwerden. Dass er ihn dadurch auf sie übertrug, kam ihm nicht in den Sinn. Aber Sarah hatte sich bisher noch nie beschwert, obwohl sie sich angenehmere Dinge als Gesprächsthemen vorstellen konnte.
    Mary, ihre Haushälterin, mit glatten, langen, zu einem Zopf geflochtenen Haaren, einer Nickelbrille und Gesundheitssandalen mit breitem Fußbett, servierte die Suppe. Mary war der optische und physiognomische Kontrapunkt zu Henry und Sarah. Sie wirkte bieder und hausbacken, so unvorteilhaft, wie sie sich kleidete und jegliche Form von Kosmetika verachtete. Bisher konnte sie sich trotz aller offenen und versteckten Anspielungen von Henry, doch mehr aus sich und ihrem Typ zu machen – so alt sei sie nun auch wieder nicht –, widersetzen. Als legte sie es darauf an, ein Mauerblümchen zu bleiben. Um unbeachtet, aber auch unbelästigt durch die Welt zu gehen.
    »Guten Appetit.« Sarah lächelte.
    Henry reagierte nicht, die Lippen wurden schmal, er starrte vor sich hin.
    »Schatz, hast du nicht gehört. Guten Appetit.«
    Henry reagierte immer noch nicht. Nach wenigen Sekunden schaute er auf und sprach mit seltsam leiser und monotoner Stimme: »Sag mal, wie lange sind wir jetzt verheiratet?«
    Der Ton in seiner Stimme gefiel Sarah nicht. »Was soll die Frage. Du weißt es doch ganz genau.«
    »Sag schon«, wurde seine Stimme schärfer. Seine Augen taten ihr weh, sie senkte den Kopf und fühlte sich jetzt schon schuldig. Oft fühlte sie sich in der Vergangenheit schuldig für Dinge, die sie nicht hatte ändern können.
    »Ein gutes halbes Jahr«, antwortete sie.
    »Ein gutes halbes Jahr«, wiederholte er. »Und wie lange kennen wir uns jetzt?«
    Sarah zuckte mit der Schulter. »Zwei Jahre, oder?« Sie wagte es, den Kopf anzuheben. Er saß ihr hoch aufgerichtet gegenüber, wie erstarrt. Und abwesend wirkte er, als ginge ihn alles nichts an. Fast gelangweilt.
    »Zwei Jahre, vier Monate und …, und eine Woche«, verbesserte Henry. »Fast zweieinhalb Jahre. Eine lange Zeit. Was da alles passieren kann? Man sollte doch meinen, dass man den Partner nach zweieinhalb Jahren wenigstens etwas kennt. Meinst du nicht auch?«
    Sie schaute ihn an. Ausdruckslos war sein Gesicht, keine Regung. Und seine Augen, gefrorene, blau glitzernde Eisstückchen mit hellem Rand, musterten sie kalt. An der Schläfe war deutlich eine Ader hervorgetreten.
    »Was ist mit dir?«
    »Nichts ist mit mir. Weich nicht aus. Nach zweieinhalb Jahren sollte man seinen Partner doch kennen. Ist es nicht so?«
    »Ja.«
    »Und ich kenne dich doch. Habe ich dir heute nicht Rosen mitgebracht?«
    »Ja, nochmals vielen Dank, Schatz.«
    »Und hast du dich nicht darüber gefreut?«
    Sarah fühlte sich unwohl, sie wusste nicht, worauf Henry hinauswollte. Gut, er war manchmal etwas komisch, brachte sie auch mit seinem Ordnungssinn, hier wurde etwas verschoben, dort etwas anders hingestellt, oftmals zur Verzweiflung. Zur Verzweiflung deshalb, weil er sogar nachts noch aus dem Bett springen konnte, um das Bild auf der gegenüberliegenden Wandseite um wenige Millimeter zurechtzurücken. Oder er ging um das Bett herum und stellte ihre Hausschuhe genau parallel auf den Bettvorleger, den er zuvor ausgerichtet hatte. Hinterkante Bettvorleger exakt unter der Bettkante.
    »Ich habe mich sogar sehr darüber gefreut, Schatz«, antwortete Sarah.
    »Freust

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