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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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Fragen an die unbekannte Stimme.
    »Vorhin, das hat dir gefallen, nicht? Oder war es gestern?«
    Sarah glaubte Henry in seiner typischen Haltung vor sich zu sehen, wie er überlegte. Leicht breitbeinig stehend, um allen Stürmen des Lebens zu trotzen, einen Arm vor der Brust verschränkt, das Kinn auf die andere Hand gestützt, den Kopf zur Seite geneigt.
    »Ja, es war gestern«, beantwortete sich Henry seine Frage selbst. »Meine Eltern, das war gestern. Aber Sarah hat auch Eltern gehabt. Die Mutter früh gestorben, blieb für sie nur noch der Vater übrig. Aber der hat sie wenigstens geliebt. Ich war dabei. Ich habe es gesehen. Sag mal, wirst du auch geliebt? Wo du herkommst, gibt es da auch Liebe?«
    Einige Sekunden hörten sie nichts, Henry schien auf eine Antwort zu warten.
    »Verstehe. Bei euch ist es also anders als bei uns. Mehr platonisch, ohne Körper und so. Verstehe.« Henry hatte seine Antwort erhalten.
    »Nur mich, mich konnte dieser David nicht leiden. Dieser David Zucker. Dabei hat er meine Eltern sehr gut gekannt. Meinen Vater besonders. Aber mich konnte David nicht leiden. Was? Du willst wissen, warum er mich nicht leiden konnte? Keine Ahnung. Oder doch, natürlich habe ich eine Ahnung. Ich habe ihm seine Tochter weggenommen. Deshalb konnte er mich nicht leiden. Ist doch ganz klar. Wenn man einem Vater die Tochter wegnimmt, ist das immer so, nicht? Das habe ich gespürt. Und weil er von mir Geld haben wollte. Stell dir mal vor, der David wollte von mir Geld haben. Dabei hat er doch mehr gehabt als ich. Viel mehr. Wie meinst du das? Ich hätte ihm noch was zu geben? Ich hätte ihm sein Geld zurückzugeben, was ich unrechtmäßig erhalten haben soll? Moment mal, jetzt aber langsam. Nichts war unrechtmäßig, alles legal und alles auf Ehrenwort. Gut, ich hätte ihm ja auch das Geld wiedergegeben, irgendwann. Aber er hat es ja überhaupt nicht gebraucht. Was macht denn einer allein mit so viel Geld? Und außerdem sollte ich seine Tochter heiraten. Mitgift sagt man dazu, nicht? Natürlich hätte ich so etwas nicht nötig gehabt. Aber wenn doch, warum ablehnen? Nimm, was du kriegen kannst, hat mein Papa immer gesagt. Bei euch ist es doch bestimmt genauso, nicht?«
    Henry machte eine Pause, Carmen beobachtete Sarah, die wie hypnotisiert auf das Radio starrte und allmählich näher rückte, um kein Wort zu versäumen.
    »Also gut, ich gebe es zu. David hat mir Geld gegeben. Irgendwie hat mein Papa zu dem Zeitpunkt, obwohl er schon tot war, noch seine Finger im Spiel gehabt. Vielleicht hatten sie eine Abmachung? Einen Vertrag? David hat mir Geld gegeben, und das war dann mein Eigenkapital. Sozusagen. Der Bank hat das genügt. Sie gab den Rest, ich habe das Autohaus übernommen. Und seit dem Zeitpunkt läuft der Laden. Warst du mal in meinem Geschäft? Hast du dir die schönen Autos angeschaut? Das glatte Blech, die blitzenden Lacke? Das edel duftende Leder? Ich hätte dir Sonderkonditionen eingeräumt. Was, bei euch fährt man kein Auto? Interessant. Und wie kommst du an dein Ziel? Wie? Ich verstehe dich nicht. Du willst es mir nicht sagen? Ist das ein so großes Geheimnis? Gut, ist mir recht. Dann behalte es doch für dich.«
    Sie hörten Geräusche, als schlurfe Henry umher. Er schnäuzte sich. Und er rülpste. Sarah warf Carmen einen schnellen Blick zu, als sei das die schlimmste Verfehlung gewesen, die Henry je begangen hatte. Schon auf der letzten Kassette hatte er gerülpst. Allerdings kurz zuvor auch Mineralwasser getrunken.
    »Du kennst dich aber gut aus«, ging Henry wieder auf die Stimme ein. »Von wem hast du davon gehört? Das willst du mir nicht sagen? Und woher weißt du von den zwei Millionen, he? Verdammt, das muss dir einer gesteckt haben. Es gibt nämlich zwischen ihm und mir offiziell keine Verträge und nichts. Bei so einem Geschäft macht man eben keine offiziellen Verträge. Diskretion ist alles. Das muss dir also einer gesteckt haben.« Nach zwei Sekunden gab Henry zu. »Ja, es waren zwei Millionen. Genau zwei Millionen. Auf den Kopf. Die habe ich mir verdient, sauer verdient. David wollte seine Gesellschaft verkaufen, und ich habe ihm einen Käufer besorgt. Zwei Millionen, das war meine Provision. Nein, zu viel war das nicht. Es ging ja immerhin um …« Henry machte eine Pause. »Es ging ja immerhin um fünfzehn Millionen. Stell dir mal vor, fünfzehn Millionen! Wou! Das ist kein Pappenstiel. Und David meinte, die zwei Millionen hätte ich mir auch wirklich verdient. Ihm ist ja auch

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