Das Erwachen des Dunkeltraeumers
Antilius.
»Genau! Praktisch, nicht wahr? So ist es mir unmöglich, jemals zu entkommen«, sagte Gilbert zynisch.
»Warum kannst du nicht einfach durch das Fenster steigen?«
»Ja das könnte ich machen, aber ich tue es nicht, weil es nämlich dort draußen nichts gibt.«
»Aber ich sehe doch die Wiese!«
»Das ist nur ein Konstrukt meiner Fantasie. Dort draußen könnte auch genauso gut ein höllischer Schneesturm treiben. Nein, da ist nichts. Und wenn ich versuchen würde, in das Nichts zu gehen, dann werde ich auch zu Nichts . Verstehst du?«
»Na ja, nicht vollkommen. Das ist wirklich alles sehr verwunderlich.« Antilius machte eine Pause. »Man hat dich also aufgrund eines Verbrechens in dieses ... dieses Gefängnis gesperrt?«
Gilbert wurde laut: »Es kommt darauf an, wie man Verbrechen definiert. Ich bin mir sicher, dass du es auch nicht als Verbrechen bezeichnen würdest. Ganz im Gegenteil.«
»Was soll das heißen?«
»Das heißt, dass ich hier zu Unrecht eingesperrt bin! Bitte, nimm mir das nicht übel, aber ich habe jetzt wirklich keine Lust mehr, darüber zu sprechen.«
»Na schön. Darf ich dann wenigstens fragen, wie dieser Spiegel hierher gekommen ist?«
»Mein alter Meister hat mich hier einfach in den Dreck geschmissen. Mit dem habe ich noch eine Rechnung offen.«
Antilius runzelte die Stirn. »Dein alter Meister?«
Gilbert zog sich den einzigen Stuhl in seinem Zimmer heran und setzte sich. »Mein letzter Meister war wohl meiner überdrüssig geworden, was im Übrigen auf Gegenseitigkeit beruhte, so dass er sich meiner Präsenz entledigte. Seit mehr als neunzig Tagen liege ich nun schon hier. Diese Einsamkeit ist einfach schrecklich. Aber jetzt bist du ja da. Du bist mein neuer Meister.«
»Was? Ich bin gar nichts! Soll ich dich etwa die ganze Zeit mit mir herumschleppen?«
Gilbert stand von seinem Stuhl auf und ging näher an den Spiegel heran. »He, denk mal bitte daran, wer diese Gorgens vertrieben hat! Wenn ich sie nicht verscheucht hätte, dann hättest du mehr als nur Kopfschmerzen.«
»Gorgens? Sind das die, die mich ausgeraubt haben?«
Gilbert nickte. »Ich wollte dich ja noch warnen, aber da war es schon zu spät. Die Sachen, die sie dir gestohlen haben, wirst du wohl nie wieder sehen.«
»Also du warst das.« Antilius überlegte. »Nun, dann muss ich mich wohl bedanken, dass du versucht hast, mir zu helfen. Wenn du willst, dann nehme ich dich mit in die Stadt und dort könnte ich dich ja an jemanden ...«
»Nein! Nein!«, schrie Gilbert. »Bitte! Gib mich nicht wieder her! Kann ich nicht bei dir bleiben? Ich werde dir bestimmt auch keinen Ärger machen. Aber bitte gib den Spiegel nicht jemand anderem und lass ihn und damit mich nicht hier im Wald.«
In diesem Augenblick sah Antilius etwas sehr Deutliches in Gilberts Augen. Wenn er es in Worte hätte fassen müssen, wäre der wohl passende Ausdruck Verzweiflung gewesen.
Unangenehme Stille folgte.
»Also gut, ich werde dich mit mir nehmen. Mir sind ja ohnehin alle anderen Sachen gestohlen worden.«
Gilberts Gesichtszüge entspannten sich sichtlich. »Wunderbar! Du wirst sehen, ich kann dir eine große Hilfe sein. Und jetzt erzähle mir, was du hier auf Truchten machst. Du bist nicht von hier, stimmt’s?«
»Sieht man mir das denn so deutlich an?«
Gilbert nickte eifrig.
»Ich bin auf der Suche nach einem Sternenbeobachter, namens Brelius Vandanten. Er ließ mir vor einigen Tagen einen Brief zukommen, in dem er andeutete, dass etwas Schreckliches passiert sei. Er bräuchte dringend meine Hilfe und ich sollte mich so schnell wie möglich zu ihm begeben.« Antilius hielt es zu diesem Zeitpunkt noch für ratsam, Gilbert nichts über seinen Gedächtnisverlust und das Wissen von Brelius um diesen zu erzählen. »Er kannte meinen Namen und wusste auch wo ich wohne. Mir kam die Sache zwar ziemlich merkwürdig vor, aber ich entschloss mich, ihn aufzusuchen. Also packte ich meine Ausrüstung zusammen und reiste hierher. Aber nun ist alles weg, und wo dieser Brelius genau wohnt, weiß ich auch noch nicht.«
»Das heißt, du bist diesem Brelius noch nie begegnet?«
»Genau, ich weiß nicht, wer er ist.«
Gilbert machte ein nachdenkliches Gesicht. »Brelius Vandanten. Diesen Namen kenne ich in der Tat! Eigentlich kennt ihn fast jeder in Fara-Tindu, denn er war ein recht eigenartiger Mann. Ich habe allerdings lange nichts mehr von ihm gehört. Ich war allerdings auch lange nicht mehr in der Stadt, also ich meine mein Spiegel
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