Das Erwachen
einen steilen Kiesstrand prallte und sich anschickte, alles niederzuwalzen, was ihr im Weg war.
Aber Wasser , so sagte er sich, kann doch nicht bergauf fließen!
Er beschloss, nicht von der Stelle zu weichen.
»Lassen wir die Flutwelle kommen, wenn es denn eine ist!«, rief er laut in Regen und Wind, um sich selbst Mut zu machen.
Doch vergebens.
Das Tosen vom Fuß des Hügels schwoll weiter an und versetzte ihn in nie gekannte Angst.
Nicht zum ersten Mal in seinem Leben wähnte Stort sein Ende nah. Er zitterte, seine Knie schlotterten, und sein Atem setzte aus.
Doch mit einem Mal hörte der Regen auf. Der Fluss geriet ins Stocken, seine Wasser wussten nicht, wohin, zitterten, bebten wie unter dem Einfluss einer Macht, die weit größer war als jede irdische. Eine unheilvolle Stille trat ein, und doch überkam Bedwyn Stort ein Gefühl des Friedens.
Seine Angst verflog, sein Mut kehrte zurück und mit ihm eine neue Gewissheit und ein Gefühl der Verwunderung.
Was er hörte, während er allein auf dem Waseley Hill stand, was er fühlte und was er wusste, dies alles ließ nur einen Schluss zu: Es lag eine große Veränderung in der Luft, die weit über einen Jahreszeitenwechsel hinausging.
»Die Stunde und der Augenblick sind gekommen!«, sagte er sich und setzte wie eine Beschwörung laut hinzu: »Nun wird der Stein des Frühlings, der erste der verlorenen Steine, endlich gefunden! Und wenn dies geschieht, werde ich die Gewissheit haben, dass die Schildmaid geboren wurde!«
So verknüpfte sich in dieser Nacht Bedwyn Storts Wurd, sein Schicksal, mit der Katherines und Jacks und ihres Kindes.
3
DAS OPFER
J ack riss die Augen auf, Geist und Körper waren augenblicklich hellwach.
Er regte keinen Muskel, da er nicht wusste, ob eine Gefahr drohte oder ob er einfach nur eine Veränderung in der Umgebung wahrgenommen hatte.
Es war noch dunkel, aber die Dämmerung war nicht mehr fern. Katherine und Judith schliefen. Er hatte noch immer die Arme um sie geschlungen.
Nichts rührte sich, nur ... Er beruhigte sich.
Der muffige Geruch eines Fuchses hatte ihn geweckt.
Jacks Augen wanderten langsam von rechts nach links. Ein leichter Wind ging. Er kam von halb rechts, also nicht direkt aus der Lücke zwischen den beiden großen Koniferen, die den Eingang zum Henge bildeten.
Seine Augen wanderten denselben Weg zurück, und diesmal entdeckte er ihn. Im Gestrüpp links der Koniferen, Augen, die wie silberne Kugeln das Mondlicht und den ersten Dämmerschein reflektierten.
Der Fuchs war auf der Jagd, und er war auf der Jagd nach ihnen. Vorsichtig streckte er den Kopf aus dem Dunkel, hob zögernd die Vorderpfote. Der Anblick löste in Jack einen Kampfreflex aus, wie er ihn in dieser Heftigkeit noch nie verspürt hatte. Unbedingter Schutz von Mutter und Kind, keine Toleranz gegenüber allem, was seine Familie bedrohte. Aber gegenüber einem Fuchs ...? Sogar gegenüber einem Fuchs.
Jack wusste, dass der Fuchs sie gerochen hatte so wie er selbst den Fuchs. Die Absicht des Räubers war klar: Er wollte etwas, dessen Geruch einen Reiz auf ihn ausübte, der größer war als die Angst, die Füchse gewöhnlich vor Menschen oder Hydden verspürten.
Doch das Interesse des Fuchses galt nicht ihnen oder dem Kind. Er hatte das Blut und die Plazenta gewittert. Jack verharrte reglos, wartete neugierig ab, was das Tier tun würde, und genoss die vielen neuen Gefühle, die mit dem Vatersein einhergingen: Stolz, Verwunderung, Verantwortung, Entschlossenheit, Mannhaftigkeit, der Beschützerinstinkt. All diese Gefühle kannte er aus den langen Wochen und Monaten, in denen er Katherine wohlbehalten nach Hause gebracht hatte. Nun aber empfand er sie viel stärker. Katherine war erwachsen und konnte sich selbst schützen. Sein Kind nicht.
Jedenfalls noch nicht. Später, in den kommenden Jahren, wenn sie größer wurde und zu einer Schildmaid heranwuchs, würde sich das ändern. Einstweilen aber brauchte sie ihn noch.
Alles hatte sich für ihn verändert. Die Welt hatte sich neu ausgerichtet. Der Fuchs stand angriffsbereit da und horchte mit leicht schief gelegtem Kopf, dann tat er noch einen Schritt nach vorn und schnupperte.
Jack strich mit der Hand über Judiths schön gewölbten Rücken und über Katherines Wange. Er tat es sanft, mit unendlicher Zärtlichkeit, dennoch wachte Katherine auf und gab ein Murmeln von sich.
Sogleich wich der Fuchs zurück, beobachtete sie aber weiter aus dem Dunkeln.
Dann bewegte sich auch Jack, denn mit
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