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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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aus Stahlketten bestehende Absperrung des heiligen Platzes überschritten hatte, war eine eiskalte Luftströmung in den Vatikan gedrungen, und Ballestra hatte gesehen, wie in der Ferne die Wasser des Tiber über die Ufer traten. Eine rote klebrige Flut war auf die Peterskirche zugeflossen, hatte die Säulen in ihrem Inneren umspült und den marmornen Boden bedeckt. Es war, als hätte die ganze Stadt angefangen zu bluten. Dann war der Mönch mitten auf dem Platz stehengeblieben, und sämtliche Glocken der Peterskirche hatten Sturm geläutet.
    Ballestra sieht auf den Wecker: zwei Minuten nach eins. Vor etwas weniger als dreizehn Stunden hat man Seine Heiligkeit tot im Bett aufgefunden, mit weit offenen Augen und ohne Lebenshauch. Ein Tag voller Betrübnis, der zweifellos erklärt, warum ihn dieser Albtraum heimgesucht hat.
    Er holt mehrfach tief Luft, um das Grauen zu vertreiben, das ihn noch in der Kehle würgt. Er muss an die Unruhe und Aufregung denken, die sich des Vatikans nach dem mittäglichen Angelus-Läuten bemächtigt hatte. Ganz allmählich war an die Stelle der marmornen Stille, die gewöhnlich um diese Stunde über der Stadt lag, das Murmeln von Prälaten und das Rascheln von Soutanen getreten. Boten hatten den Petersplatz in alle Richtungen überquert, um denen, die davon wissen mussten, die Trauerbotschaft diskret zu überbringen. Nur die Eingeweihten hatten begriffen, was geschehen war. Die Journalisten, die sich im Presseraum anhören mussten, was ihnen Kardinal Camano über Ektoplasmen und paranormale Erscheinungen vortrug, hatten nichts gesehen und nichts gehört. Erst als sich Roms Bürger in Massen auf den Petersplatz zu drängen begannen, war man in den Nachrichtenagenturen aller Länder der Erde aufmerksam geworden.
    Monsignore Ballestra hatte sich zu den zahlreichen Prälaten gesellt, die durch die Gänge des päpstlichen Palastes zogen, um von dem Verstorbenen Abschied zu nehmen. Als er die Stirn seiner Heiligkeit geküsst hatte, war es ihm sonderbar erschienen, dass sich die Haut des Papstes gar nicht kalt anfühlte. Er hatte das darauf zurückgeführt, dass man die Heizung höher gestellt hatte, um das Einsetzen der Leichenstarre hinauszuzögern. Als er sich wieder aufrichten wollte, war ein leiser Luftstrom dort an seiner Wange aufgestiegen, wo sich die halb geöffneten reglosen Lippen des Toten befanden. Einen Augenblick lang hatte er aufmerksam dessen Mund betrachtet und auf ein Zeichen gewartet, doch es war nichts gekommen. Dann war es wohl nur ein Luftzug im Raum gewesen. Dennoch – auch wenn der Papst in der Tat tot zu sein schien, war es Ballestra so vorgekommen, als sei dessen irdische Hülle nicht … leer. Vermutlich waren es die letzten Sekunden, in denen die Seele noch darin verharrte. Der feine Unterschied zwischen dem Körper eines Menschen, der gerade erst gestorben ist und einer Leiche, die man der Erde übergibt. Als Ballestra die Stirn des Papstes geküsst hatte, war es ihm ganz so vorgekommen, als lebe dieser noch. Oder besser gesagt, als gelinge es ihm nicht zu sterben.
    Als er sich langsam aufrichtete, war ihm in der Nase seiner Heiligkeit ein sonderbarer Belag aufgefallen, eine Art Pulver, oder etwas wie die Asche, mit der man den Gläubigen zu Beginn der Fastenzeit ein Kreuz auf die Stirn zeichnet. Als ihm der Camerlengo eine Hand auf die Schulter gelegt hatte, war Ballestra beiseitegetreten. Die Frage, ob er sich da etwas eingebildet hatte, ging ihm nicht aus dem Kopf. Er hatte die Gemächer des Papstes im selben Augenblick verlassen, in dem die Einbalsamierer eintraten. Sie würden dem Toten die inneren Organe entnehmen, bevor man dessen sterbliche Hülle auf einem von Samt bedeckten Katafalk in der Mitte der Peterskirche ausstellte. Der Papst war unwiderruflich tot, ob das Ballestra nun recht war oder nicht, und man würde eine neue Seite im großen Buch der Kirche aufschlagen. Eine düstere Seite, wie es schien, da die Mächte des Bösen im Begriff standen, sich ihrer Fesseln zu entledigen.
    All das geht dem Prälaten jetzt durch den Kopf, während er versucht, die letzten Erinnerungen an seinen Albtraum abzuschütteln. Als er sich wieder hinlegt, in der Hoffnung, noch einige Stunden schlafen zu können, schrillt das Telefon. Er tastet auf dem Nachttisch danach und nimmt grimmig ab.
    »Ja bitte?«
    Es rauscht in der Leitung. Dann sagt eine abgehackte Stimme, die unendlich fern klingt: »Monsignore, ich bin es, Alfonso Carzo.«

4
    Monsignore Ballestra schaltet die

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