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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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schnell sie kann. Sie knickt im weichen Sand um. Unversehens stolpert sie über eine Kiefernwurzel und stürzt bäuchlings zu Boden. Im letzten Augenblick unterdrückt sie den Schrei, der ihr unwillkürlich entfahren will. Genau hier ist auch Rachel gestürzt. Hier hat sie sich den Knöchel gebrochen und vor Schmerzen aufgeschrien. Marias Finger graben sich in den Sand.
    Szenenwechsel.
    Rachel kann nicht mehr davonlaufen. Sie hat verloren. Sie dreht sich um und sieht den Umriss des Untiers, das immer näher kommt. Bleich schimmert der Dolch im Handschuh des Mannes. Schluchzend kratzt sie mit den Händen im Sand, als wolle sie sich eingraben. Sie ruft nach ihrem Vater. Sie fleht ihn an, er möge kommen und sie retten. Sie muss an den Tag denken, da sie im dunklen Keller des Elternhauses festsaß und drohende Wesen auf sie zugekrochen kamen, um nach ihren Füßen zu greifen, und Spinnen sich in ihren Haaren festgesetzt hatten. Schließlich hatte ihr Vater wieder. Licht gemacht und sie in die Arme genommen. Die kräftigen Arme des Vaters, der so angenehm nach Kölnischwasser roch. Ihn ruft Rachel jetzt zu Hilfe, während der Stiefel des Mörders ihr Gesicht im Sand zerdrückt. Sie fleht ihn an. Sie will nicht sterben. Aber der Mörder hört nicht auf sie. Jetzt spielt er nicht mehr.
    Im Sand ausgestreckt, hat Maria die Augen geschlossen. Hier verliert sich Rachels Fährte. Als hätte der Wald sie verschluckt. Wieder ertönt in ihrem Ohrhörer Bannermans atemlose Stimme: »Verdammt noch mal, Maria, sag mir, was da los ist.«
    Sie öffnet die Augen. Der Regen hat aufgehört. Nebel und Morgendämmerung lassen den Wald weiß erscheinen. Ein roter Fleck im Sand. Sie fährt mit den Fingern darüber und führt einen zu ihren Lippen. Blut. Sie nimmt das Funkgerät zur Hand: »Es ist in Ordnung, Bannerman. Bleibt noch zurück; ich bin ihm immer noch auf der Fährte.«

24
    Maria verzieht das Gesicht, als sie spürt, wie der Schmerz in ihrem Fuß explodiert. Sie löst die Schuhbänder und knotet ein Tuch um den Knöchel. Dann verlagert sie langsam ihr Körpergewicht. Allmählich lässt der Schmerz nach, und sie konzentriert sich auf die Blutlache. An dieser Stelle hören alle von Rachel hinterlassenen Spuren auf. Hier scheint sie sich aufgelöst zu haben. Maria untersucht den Abdruck, den Rachels Körper beim Sturz in den Sand hinterlassen hat. Sie tastet den Umriss ab, den das Gesicht gemacht hat, als der Mörder ihren Kopf mit dem Stiefel nach unten drückte. Blut und Tränen.
    Sie folgt dem Weg noch einige Schritte und beugt sich vor, um die Stiefelabdrücke zu untersuchen, die der Mörder hinterlassen hat, nachdem er Rachel aufs Neue eingeholt hatte. Sie zeichnet sie mit den Fingerspitzen nach: zuerst den Absatz, breit und scharf in den Boden geprägt, dann die Sohle, so, wie der Fußballen abgerollt ist, und die Spitze, die sich vorn eingedrückt und einige Sandkörner emporgeschleudert hat. Der Mann schreitet kräftig aus. Er weiß, wohin er will.
    Ihr fällt auf, dass die Abdrücke des rechten Fußes tiefer sind als die des linken. Sie folgt der Spur. Hier und da sieht sie Blutstropfen. Maria schließt die Augen: Er trägt Rachel auf der rechten Schulter. Noch ist sie nicht tot. Er schleppt sie in seinen Schlupfwinkel.
    Ein Fasan kommt aus dem Unterholz und fliegt davon. In der Ferne ruft ein Vogel. Dann hört man einen Specht gegen einen hohlen Baumstamm hämmern. Das Leben im Wald erwacht. Maria folgt dem Weg, bis die Abdrücke an einer alten Eiche enden. Hier hat der Mörder den Weg verlassen. Durch die Bäume sieht sie die Ruine einer Kirche. Vereinzelte moosbedeckte steinerne Kreuze ragen aus dem Morgennebel auf. Sie zieht ihre Dienstwaffe und nimmt das Magazin heraus, um zu sehen, ob es voll ist. Die Patronen glänzen schwach im Dämmerlicht. Sie lädt durch. Schnell laufen kann sie nicht mehr, wohl aber schießen. Eine leise Stimme will ihr einreden, gegen diese Art von Mörder könne eine Schusswaffe nichts ausrichten. Sie weigert sich, darauf zu hören. Nachdem sie einen roten Wollfaden an einen Zweig gebunden hat, verlässt auch sie den Weg und geht zwischen den Bäumen weiter.

25
    Der Nebel hüllt Maria ein. Ein eigentümliches Geräusch, fast wie von Metall. Ein Stück Stacheldraht hat sich um ihren Stiefelabsatz gewickelt. Sie schleudert das Hindernis beiseite, geht um eine Hecke aus wilden Brombeeren herum und erreicht einen links und rechts von Bäumen bestandenen Weg, der sich zwischen den Ruinen

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