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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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geblitzt hat, der Schmerz so in seinen Schusskanal gefahren, dass er aufgejault hat.
    Seine Schläfe hat auf einmal derart zu brennen angefangen, als wäre der Schmerz beim Schuss Anfang Dezember irrtümlich nicht mitgekommen, so wie oft, wenn du eine schöne Flugreise machst, beim Umsteigen das Gepäck in die falsche Maschine geladen wird, dann reist das Gepäck in einen anderen Erdteil als du selber, du Amerika, Gepäck China, und irgendwann, wenn du schon gar nicht mehr damit rechnest, und nur damit du was zum Heimschleppen hast, wird es dir doch noch zugestellt.
    »Was ist denn?«, hat der Hobbypolizist ganz verdattert gefragt, weil der Brenner so mitleiderregend aufgestöhnt hat.
    Ich muss sagen, gute Frage. Weil das wahnsinnige Brennen in seiner Schläfe war nicht das Schlimmste. Wegen dem Schmerz allein wäre er gar nicht so eingegangen. Aber du darfst eines nicht vergessen. Es hat nicht nur das ganze Schmerzübergepäck mit sieben wöchiger Verspätung doch noch den Weg in seinen Schädel gefunden. Dem Brenner ist jetzt noch etwas anderes in sein Hirn gefahren. Weil mit dem Schmerz ist die Erinnerung an den zweiten Adventssamstag in sein Hirn gefahren. Wie er um vier Uhr früh mit dem Moped heimgekommen ist und noch kurz mit dem Aschenbrenner gestritten hat.
    Zusammen mit dem elendigen Blitz und mit dem elendigen Schmerz ist ihm die elendige Erinnerung in das Hirn geschossen, und in der Polizeischule haben sie gelernt, dass man nicht an der Kugel an und für sich stirbt, weil die reine Gewebeverletzung halb so schlimm, wenn beispielsweise ein Stich an derselben Stelle eindringen würde, aber man stirbt an der Wucht, mit der sie in den Körper einschlägt, und in der Polizeischule haben sie gelernt, würde man einem Menschen mit der zigfachen Geschwindigkeit einer Pistolenkugel in die Hand schießen, würde er daran sterben, an der Wucht, nicht an der Kugel, und der Brenner ist jetzt dagestanden und mit dem Blitz ist ihm die Erinnerung derart in sein Hirn geschossen, dass es ihn ganz gewaltig ausgehoben und versetzt haben muss.
    Solche Blitzerlebnisse kennt man sonst nur von Bergsteigern. Wenn am Berg der Blitz unmittelbar neben dem Bergsteiger einschlägt, versetzt es ihn um ein paar Meter. Aber den Brenner muss es jetzt um einen halben Kilometer versetzt haben, weil er ist auf einmal an der Mur entlangspaziert, und der Blitz immer noch in seinen Augen, dass alles so komisch geleuchtet hat, und ihm ist vorgekommen, jedes Ding, das er anschaut, und jeder Mensch und sogar der Boden, alle haben Taschenlampen verschluckt, und Graz eine Geisterstadt, und er selber ein Gespenst.
    Aber dass es so was gibt. Je zwielichtiger die Gegenwart, umso klarer die Vergangenheit. Weil er hat sich jetzt erinnert, als hätte es nie ein Koma gegeben, wie er um vier Uhr früh mit seinem Moped aus dem Stadion heimgefahren ist. Wie er in der Küche die alte Neonröhre aufgedreht hat, die hat immer am Anfang ein bisschen geflackert, und nach ein paar Sekunden war sie erst ganz da. Aber beim ersten Flackern hat er den Aschenbrenner schon am Tisch sitzen gesehen. Der Kripochef hat in der Dunkelheit auf ihn gewartet, ist im Flackern der Neonröhre aufgetaucht, fürchterlich grelles Licht, aber die Großmutter vom Brenner hat immer gesagt, Neonröhre ist billiger als Glühbirne, was den Stromverbrauch betrifft, aber das Einschalten ist teurer, darum nicht dauernd aus- und einschalten, sondern vorher gut überlegen. Aber es hätte dem Brenner sowieso nichts genutzt, wenn er gleich wieder abgedreht hätte, weil der Kripochef wäre deshalb ja immer noch da gewesen.
    »Willkommen in Graz«, hat der Brigadier Aschenbrenner gesagt und ist mit der Walther in der Hand vom Küchentisch aufgestanden. »Aber wenn du ein Problem hast, kommst du lieber zu mir. Weil dem Köck wird es demnächst an den Kragen gehen.«
    »Wer sagt, dass ich ein Problem habe?«, hat der Brenner gesagt.
    »Dann ist es ja gut. Aber falls du ein Problem hast, kommst du lieber zu mir. Und falls du vorhast, hier mit der alten Geschichte hausieren zu gehen, hast du ein Problem.«
    »Ich hab kein Problem«, hat der Brenner gesagt.
    »Dann ist es ja gut. Wenn du für mich arbeiten willst -«
    »Ich glaub, du hast ein Problem«, hat der Brenner gesagt.
    Und der Kripochef: »Ich hab kein Problem.«
    Und der Brenner: »Dann ist es ja gut.«
    Du merkst schon, die beiden haben einfach ein Problem miteinander gehabt. Jetzt ist das Gespräch nahtlos dort weitergegangen, wo sie vor

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