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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Haas
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Schmerz, der ihn so weich gemacht hat wie eine Wasserleiche. Aber im Schusskanal jetzt ein derart aggressiver Schmerz, dass der Brenner das Gefühl gehabt hat, er ist nur mehr das Moped, und der Schmerz fährt mit ihm durch Graz, wohin er will.
    Und ich muss sagen, das war ein sehr intelligenter Schmerz. Weil der ist mit dem Brenner dann in aller Herrgottsfrüh direkt nach Puntigam links gefahren. Und da haben sie ihn mit Schmerzmitteln voll gepumpt, dass der Brenner noch glücklich gelächelt hat, wie der Kripomann in das Behandlungszimmer hereingekommen ist und ihn verhaftet hat.
     

11
    Das ist im Leben immer wieder interessant. Der eine wäre gern jung, der andere ist jung. Weil dem Brenner ist im Büro vom Major Heinz aufgefallen, wie jung der noch ausgesehen hat. Eigentlich unglaublich, dass man in so einem Alter schon Major sein kann. Mehr als dreißig Jahre hat er dem nicht gegeben.
    »Respekt, Brenner«, hat der Major gesagt, »den X-ler am Campingplatz hast du ganz schön zugerichtet. Aber du hättest vielleicht noch eine Spur fester hinhauen sollen, dann hätte er keine Täterbeschreibung mehr abgeben können, bevor die Ärzte ihn wieder zusammengeflickt haben.«
    »Dann kann es ja nicht so schlimm sein.«
    Der Brenner war immer noch gut aufgelegt, weil nichts macht dich so glücklich im Leben wie ein wahnsinniger Schmerz, der auf einmal weg ist.
    »Nasenbeinbruch, Jochbeinbruch, Kieferbruch«, hat der Major Heinz aufgezählt.
    »Das kann nicht von mir sein. Ich hab nur so eine Reflexbewegung gemacht, wie er mich angeblitzt hat.«
    »Wahrscheinlich hat der Fotoapparat so einen starken Rückstoß gehabt«, hat der Major Heinz gelächelt.
    Dem Brenner ist aufgefallen, dass der gar nicht so unsympathisch war, wie er ihm beim ersten Mal vorgekommen ist. Er hat nicht geredet wie ein richtiger Polizist, mehr so wie ein intelligenter Mensch. Seine Augen haben amüsiert gefunkelt, wie er das mit dem Rückstoß gesagt hat, körperlich auch mehr drahtig als auf der Fleischhauerseite, also schon austrainiert bis auf die letzte Faser, aber mehr das Sprungbereite, weniger das Schwere. Und ich sage ja immer, man kann jeden Menschen mit einer ganz bestimmten Art von Schmerz vergleichen, und da müsste man sagen, der alteingesessene Traditionsbulle eher wie der dumpfe Migräneschmerz, der Major Heinz eher wie der spitze Schusskanalschmerz.
    »Mein Chef hat mir einmal erzählt, dass du mit ihm in die Polizeischule gegangen bist.«
    Allein wie er ihn einfach geduzt hat, ohne ihn damit zu beleidigen, hat dem Brenner schon imponiert. Du wirst sagen, da war der Brenner vielleicht wirklich ein bisschen high von den Schmerzmitteln, dass ihm das auch schon imponiert hat. Aber das stimmt nicht. »Sie« oder »du«, das ist eine der schwierigsten Aufgaben im heutigen Leben, und die Schwester Corinna hat dem Brenner einmal erzählt, dass in letzter Zeit immer mehr Patienten nach Pun-tigam links kommen, die seit Jahren nicht mehr aus dem Haus gegangen sind, weil sie einfach dieser Frage ausweichen wollen. Und in vielen Fällen ist ja beides eine Beleidigung. Wie zum Beispiel jetzt zwischen dem Major Heinz und dem Brenner.
    Mit dem »du« stempelst du im Kripo-Büro einmal grundsätzlich jeden zum Schwerverbrecher. Außer es ist ein Exkollege, dem man schon einmal die Baseballkappe über die Augen gezogen hat. Den stempelst du mit dem viel zu förmlichen »Sie« erst recht zum Schwerverbrecher. Und siehst du, da kommt der Tonfall ins Spiel. Weil der Major hat ihn auf eine so selbstverständliche Art geduzt, dass man glauben hätte können: Polizeischüler unter sich.
    »Polizeischule ist lange her«, hat der Brenner gesagt.
    Der Major hat darauf nicht reagiert, weil alles hat der eben auch nicht verstanden. Für diese Problematik war der Major einfach noch zu jung, und dass man sich schon in der Jugend nach der Jugend sehnt, wie es vielleicht beim Brenner war, das ist eben nicht jedem gegeben.
    »Wie geht es dem Aschenbrenner denn jetzt?«, hat der Brenner gefragt.
    »Zum Sterben zu gut, zum Leben zu schlecht. Das Gespräch mit dir muss ihn ja ganz schön mitgenommen haben.«
    »Hast du mich deshalb verhaftet oder wegen dem Hobbypolizisten?«
    »Weder noch.«
    »Sondern?«
    »Du bist nicht verhaftet.« Die Mundwinkel vom Major Heinz haben amüsiert gezuckt. »Ich wollte dich nur einmal kennen lernen.«
    Der Brenner muss ein bisschen verstört geschaut haben, weil der Major hat jetzt noch hinzugefügt:
    »Das mit den Handschellen war

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