Das ewige Leben
gekonnt.«
»Ja, das hat er mir auch so erzählt.«
»Was sagt er denn über mich?«
»Dass du immer alles besser wissen musst.«
»Das glaubt er wohl selber nicht. Er hat immer alles besser gewusst. Schon in der Polizeischule.«
Der Major hat gegrinst: »Alte Liebe rostet nicht.«
»Das kannst du laut sagen.«
»Leider hat die alte Liebe zu den Polizeischulfreunden auch ihre Nachteile«, ist der Major auf einmal ernst geworden. »Der Brigadier hat den Köck viel zu lange geschützt. Der hat schon die längste Zeit nur mehr auf eigene Rechnung gearbeitet. Im letzten Jahr sind in Graz mehr Drogen über den Spitzel verkauft worden als über die Händler, auf die wir ihn angesetzt haben.«
»Da ist er aber nicht der Erste, der das so betrieben hat.«
»Nur der Brigadier wollte es nicht einsehen. Ich kann es ja verstehen, ich würde auch nicht gern einen Kumpel aus der Polizeischule hinhängen.«
Durch die vielen Schmerzmittel war das Gehirn vom Brenner ein bisschen taub, und seine eigenen Gedanken haben sich so angefühlt, als wären sie nicht in seinem Gehirn, sondern außerhalb, als würden sie irgendwo in dem Büro herumhängen, wo er mit dem Major Heinz gesessen ist, und sich nicht um ihren Eigentümer kümmern. Und er hat jetzt das Gefühl gehabt, als würde sich in noch größerer Entfernung, nicht einmal im Büro vom Major Heinz, sondern ungefähr im nächsten oder übernächsten Büro ein Gedanke regen.
»Und wie hast du deinen Chef doch noch überzeugt, den Köck fallen zu lassen?«, hat er den Major gefragt, weil wenn ein Gedanke nicht daherkommt, kann man immer noch irgendwas fragen.
»Ihm ist es erst zu bunt geworden, wie der Köck auch noch mit den X-lern gepackelt und ihnen Informationen über unsere Arbeit verkauft hat.«
»Der Köck hat nie eine Blödheit ausgelassen.«
Der Gedanke war so weit entfernt, dass er ihn unmöglich herübergehört hat. Dafür hat ja der Major Heinz, der nur einen Meter entfernt von ihm gesessen ist, viel zu laut geredet.
»Es ist nicht ganz fair, auf einen schwerkranken Gegner loszugehen. Aber wir haben diese Meinungsverschiedenheiten schon seit einem halben Jahr ausgetragen. In letzter Zeit ist mir vorgekommen, als wäre der Brigadier vom Altersstarrsinn befallen.«
Der Brenner hätte dem Kripochef diese Analyse bestimmt von Herzen gegönnt, wenn er selber wenigstens ein paar Jahre jünger als der Aschenbrenner gewesen wäre. Aber sogar so hat er dem jungen Major Heinz den »Altersstarrsinn« nicht übel genommen. Er war jetzt auf ganz etwas anderes konzentriert. Weil er hat sich eingebildet, dass der Gedanke näher gekommen ist, vielleicht schon vom übernächsten Büro in das unmittelbare Nachbarbüro, und gleich ist er da.
»Der Brigadier hat einfach in den letzten Jahren nicht mehr mit den Entwicklungen Schritt gehalten. Er hat es nicht wahrhaben wollen, dass auch in Graz die Drogenmafia längst ihre Leute sitzen hat. Im Prinzip bin ich immer noch voll auf der Seite vom Aschenbrenner. Gegen jede Panikmache, sondern in aller Ruhe den Deckel draufhal-ten. Aber ein Problem hat er dabei übersehen: Je zurückhaltender wir agiert haben, je weniger präsent wir in der Öffentlichkeit waren, umso mehr Oberwasser hat der Würnitzer mit seinen X-lern bekommen. Und ausgerechnet sein eigenes Credo hat der Brigadier bei den X-lern vergessen. Uns hat er immer gepredigt, dass die öffentliche Kommunikation einer sicheren Stimmung für die reale Sicherheit einer Stadt mehr bringt als spektakuläre Verbrecherjagden. Aber genau deshalb hätte die Kripo jetzt in der Öffentlichkeit präsenter sein müssen, um den X-lern
den Wind aus den Segeln zu nehmen.«
Ich muss ehrlich sagen, der Brenner war beeindruckt von den guten Gedanken des jungen Majors. Umso mehr, weil sein eigener Gedanke immer noch nicht dahergekommen ist. Jetzt hat er nur gesagt:
»Möchte man glauben, mit so einer jungen Frau bleibt ein Kripochef geistig auch länger jung.«
Der Major Heinz hat säuerlich gelächelt. »Ich möchte bestimmt nichts Schlechtes über den Brigadier Aschenbrenner sagen«, hat er gesagt, bevor er eine halbe Stunde lang schlecht über seinen Vorgesetzten geredet hat.
Der Brenner hat ihn direkt ein bisschen bewundern müssen. Weil der junge Mann hat eine wahnsinnige Menschenkenntnis gehabt, der hat ihm den Aschenbrenner charakterisiert, das hätte der Brenner selber nicht besser gekonnt. Diesem jugendlichen Charakterforscher ist am Aschenbrenner nicht das Geringste verborgen
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