Das ewige Lied - Fantasy-Roman
Barden der Östlichen Reiche noch weitaus mehr Disziplin und Konzentration aufbringen mussten, wenn sie ihr Studium bestehen wollten.
Großkaiserin Cwell fuhr fort: „In den Nördlichen Reichen brauchen wir sicherlich nicht nach Verbündeten zu suchen. Die Menschen dort sind einfache Bauern und können uns nicht helfen. Es ist jedoch nötig, mit König Zash in Aquien in Verbindung zu treten. Er muss wissen, was geschehen ist, und zur Zeit haben wir keinen Gesandten dort. Habt Ihr vielleicht einen Vorschlag?“, setzte sie mit einem Blick auf Daphnus hinzu. Jayel verstand das daraufhin eintretende Schweigen nicht. Daphnus ging es wohl genauso, denn er sah Jayel erstaunt und hilfesuchend an.
„Was ist mit Poetesca Lavellis?“,meinte Jayel zögernd. „Sie ist unsere Lehrerin für politische Beziehungen und war schon öfter in Aquien. Oder Meister Ka’angh...“ Jayel verstummte, als sie die Blicke sah, die ihr Cwell und die anderen zuwarfen. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Dann, plötzlich, begriff sie. Eine eisige Hand schien nach ihrem Herzen zu greifen. „Oder die Meisterinnen Kristin und Gayett? Poetesco Peretsy? Oder Liolet, Nayash, Ptylas...“ Jayels Augen füllten sich mit Tränen, als sie die Namen derer aufzählte, die sie in all den Jahren ihrer Schulzeit begleitet hatten.
Da fühlte sie eine Hand auf ihrer Schulter und blickte auf. Es war Querius, der neben sie getreten war. Er sah sie mitfühlend an. „Aber ... aber sie können doch nicht alle...“, brachte Jayel mühsam hervor.
Cwell unterbrach sie: „Meister Ptylas würde sicher gerne für uns nach Aquien reisen, aber er wurde bei dem Brand schwer verletzt. Nicht einer der Überlebenden ist reisefähig, alle haben mehr oder minder schwere Brandwunden, aber auf jeden Fall einen schweren Schock. Der Großteil der Geretteten sind Akolythen und zu jung, um einen solchen Botengang zu übernehmen.“ Cwell überlegte kurz. „Ich denke übrigens, dass du so schnell wie möglich einen Brief an deine Eltern aufsetzen solltest. Sie werden bestimmt schon von dem Feuer gehört haben und in Sorge sein.“ Jayel nickte mechanisch. Sie nahm den Briefbogen und die Feder, die ihr Han reichte, und ging hinaus in den Garten, um den Brief an ihre Eltern zu schreiben.
Die frische Luft tat Jayel gut. Sie musste den Schock erst einmal verkraften, in den sie die Erkenntnis dessen versetzt hatte, was das Feuer für sie angerichtet hatte. Sie stellte fest, dass es ihr half, den Brief zu schreiben. So gewann sie etwas Abstand. Und, so wurde ihr klar, sie konnte der Kaiserin jetzt nur helfen, wenn sie genauso ruhig und gefasst blieb wie Cwell. Nach einer Weile ging Jayel zurück in den Speisesaal, wo Cwell noch immer mit ihren Beratern diskutierte. Jayel blieb an der Tür stehen. Sie hatte nicht vor zu lauschen. Im Gegenteil: Sie stand ganz offen und für alle sichtbar im Türrahmen. Nur hielt sie sich an das Zeremoniell, das besagte, dass der Raum, in dem sich die Kaiserin aufhielt, nicht eher zu betreten war, als dass man dazu aufgefordert wurde. Cwell aber bemerkte Jayel momentan einfach nicht. „Ich halte das für eine sehr gute Idee!“, sagte die Kaiserin gerade.
„Aber Majestät, Ihr werdet erlauben, dass ich protestiere“, mischte sich Ölof ein. „Ich denke nicht, dass sie die Richtige ist, um...“
„Oh, doch glauben Sie mir“, unterbrach ihn Han. „Sie ist goldrichtig. Und was bleibt sonst für eine Lösung?“
„Aber nicht allein!“, protestierte nun Daphnus. „Ihr müsst zumindest Wachen mitschicken!“
„Das wird nicht möglich sein“, erklärte Cwell bedauernd. „Alle Soldaten werden an der Grenze zu Ilbatan und Balenndi zusammengezogen.“ In diesem Moment bemerkte sie Jayel. „Ah, da ist sie ja“, rief die Großkaiserin und winkte Jayel zu sich heran.
Das Mädchen betrat verwirrt das Zimmer und sah die anderen an. Sie blickte in deutlich unterschiedliche Mienen; während Ölof und Daphnus verstimmt dreinsahen, lächelte Han, und Querius blinzelte ihr wieder vergnügt zu. „Hör mich an, Jayel Ysternas, kaiserliche Bardin“, sagte Cwell feierlich, und in diesem Moment begriff Jayel, dass sie gerade offiziell einen kaiserlichen Auftrag erhielt, denn dies war die zeremonielle Anrede dafür. Normalerweise wurde dieses Ritual allerdings im königlichen Thronsaal vor den Augen des versammelten Hofstaates vollzogen. Jayel begriff auch, dass dies der Auftrag sein würde, der ihre letzte Prüfung darstellte. Sofort ließ sie sich auf die
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