Das ewige Lied - Fantasy-Roman
und seinem Buch einen misstrauischen Blick zu, „ dann lasst euch sagen, dass ihr nicht gewaltsam versuchen solltet, in Aquien einzudringen. Wen die Aquanten nicht haben wollen, der kommt auch nicht rein.“
Jayel seufzte. Das hatte sie nun schon so oft gehört. „Und was sollen wir tun, um nach Aquien zu kommen?“, fragte sie hoffnungslos. Sie wusste, sie würde keine hilfreiche Antwort bekommen. Und sie hatte recht. „Wartet nur ab!“, sagte der Wirt und verschwand wieder hinter der Theke.
„Abwarten...“, grummelte Jayel, trank ihre Ziegenmilch aus und erhob sich.
Sie ging rasch in den Stall, um nach den Pferden zu sehen. Dann ging sie in die Schankstube zurück. Sie setzte sich Daphnus gegenüber und wartete darauf, dass er fertig würde. Ungeduldig trommelte sie auf dem Tisch herum. Sie würde sich nie daran gewöhnen, dass Daphnus unendlich lange in seine Bücher starrte. Der junge Magier hatte ihr erklärt, dass er auf diese Weise seine Sprüche beherrschen lernte, denn er musste sie regelmäßig neu üben, um sie nicht zu vergessen. Jayel wünschte sich, dass er ein besseres Gedächtnis hätte. Sie selbst brauchte sich nie irgendwelche Sprüche zu merken, weil ihre Zauber von der Göttin gesandt wurden, der sie diente. Sie brauchte sich nur mit einem entsprechenden Gebet an Lyria zu wenden und konnte, sofern die Göttin mit ihrem Tun einverstanden war, über den entsprechenden Zauber verfügen.
Aber auch ihre Geschichten und Lieder musste sich Jayel nicht immer wieder auf mühselige Art und Weise ins Gedächtnis zurückrufen, wie es Daphnus mit seinen Sprüchen tat. Was sie einmal gelesen oder gehört hatte, vergaß Jayel nie wieder. Es war, als würde sie ihre Balladen, Märchen und Legenden in einer Bibliothek in ihrem Kopf verwahren, in der sie nach Belieben die passende Geschichte wiederfinden konnte.
„Daphnus!“, sagte sie schließlich laut. „Ich will mich im Ort umsehen. Kommst du mit?“
Der junge Magier blickte auf und seufzte. „Na gut, du Quälgeist!“, sagte er und klappte das Buch zu. „Ich bin ohnehin fast fertig.“
Jayel versuchte neugierig, einen Blick auf das Buch zu erhaschen, als Daphnus es in seinem Rucksack verstaute. Es war nicht Daphnus‘ einziges Buch, wie sie wusste, aber das einzige, das er auf die lange Reise mit sich genommen hatte, und deswegen musste es wohl für ihn besonders wichtig sein. Aber er hatte Jayel noch nie hineinsehen lassen.
Daphnus bemerkte Jayels Blick. „Du kannst es wohl einfach nicht ertragen, dass es ein Buch in deiner Nähe gibt, das du nicht gelesen hast, was?“, grinste er. „Ich habe es dir schon gesagt, es bringt dir sowieso nichts! Es ist in magischen Runen geschrieben, und mit Magie dieser Art können Priester ohnehin nichts anfangen.“
Jayel schob die Unterlippe vor und verließ wortlos, mit erhobenem Kopf den Schankraum. Es war ihr peinlich, dass Daphnus ihre Neugier bemerkt hatte.
Opalla war wirklich nicht sehr groß. Es gab eine Straße, die hindurch führte, und einen Marktplatz. Um diesen waren etwa zwei Dutzend Häuser versammelt, an der Straße entlang gab es nochmal etwa ein Dutzend. Damit war der Ort für die hiesigen Verhältnisse schon eine Stadt, denn in der Küstenregion gab es nur vereinzelte Ansiedlungen, meistens nur zwei oder drei Häuser auf einem Fleck. Jetzt, am Tage, war kaum jemand zu sehen, denn die Männer waren alle in ihren Booten auf dem Meer und gingen ihrem Tagwerk nach. Jayel kam es sehr still vor, und sie fragte eine Frau, die gerade ein paar Ziegen in den Stall führte, nach den Bewohnern des Ortes. Die Frauen, hörte Jayel, waren zumeist auf den Feldern, die um das Dorf herumlagen. Am nächsten Tag würde Markttag sein, und alle Fischer der Umgebung sowie Bauern der grünen Ebene würden kommen, um auf dem Marktplatz zu handeln und zu tauschen. Deswegen mussten noch rasch die letzten Erträge eingebracht werden.
„Und wo sind die Kinder?“, wollte Daphnus wissen.
Die Frau machte einen etwas ungeduldigen Eindruck, offenbar wollte auch sie noch aufs Feld hinaus. „Wo sollen die Kinder schon sein?“, fragte sie. „In der Schule natürlich!“
„Ihr habt hier eine Schule?“, fragte Jayel verblüfft.
„Natürlich nicht“, sagte die Frau ärgerlich und zog energisch am Strick der Ziege. „Der Priester im Fluidos-Tempel unterrichtet sie!“ Mit diesen Worten ging sie geschäftig davon. Jayel und Daphnus sahen sich an. Dann folgten sie der Straße, die vom Marktplatz aus Richtung Meer
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