Das ewige Lied - Fantasy-Roman
führte.
Der Tempel des Fluidos lag nahe am Strand. Es war ein mittelgroßes Gebäude aus sandfarbenem Stein. Der Weg zum Eingang wurde von Riedgras gesäumt, und die Pforte war mit Muscheln liebevoll geschmückt. Jayel hatte schon prächtigere Tempel gesehen, doch man merkte sofort, dass dem Gott des Meeres hier zwar nicht mit viel Geld, doch mit viel Liebe geopfert wurde.
Die beiden Reisenden betraten den Innenraum des Tempels. Durch ein grünes Oberlicht wirkte der Raum wie direkt aus dem Meer gehoben. Mehrere Gebetsbänke nahmen den meisten Platz ein. Gegenüber der Eingangspforte befand sich der Altar von Fluidos, eine große Statue in der Form eines Fisches. Dahinter prangte auf einem Wandteppich das Symbol der Gottheit: die Stickerei einer Venusmuschel. Obwohl der Tempelraum sehr schlicht und beinahe karg war, konnte Jayel mit ihren geschulten Ohren den typisch friedlichen Ton wahrnehmen, der immer dann über einen Tempel kam, wenn die dort heimische Gottheit vollkommen damit zufrieden war. In diesem Moment wurde dieser Klang allerdings übertönt durch das eifrige Gemurmel von Kinderstimmen. In den vorderen Reihen der Gebetsbänke hatten die Kinder des Ortes Platz gefunden und waren gerade eifrig dabei, auf Schiefertafeln, Papierfetzen und Pergamentbögen zu malen. Offenbar hatten sie von zu Hause alles mitgebracht, was irgendwie dafür geeignet schien. Vor der ersten Bank hockte ein junger Mann auf dem Boden, vor sich ein Blatt, und war ebenfalls damit beschäftigt, eifrig darauf herumzukritzeln. Jayel und Daphnus blickten sich erstaunt an.
„Pariot, ist es so richtig?“, fragte ein kleines, vielleicht vierjähriges Mädchen mit tintenverschmierten Fingern und zeigte dem jungen Mann ihren Papierfetzen. Dieser betrachtete das Bild und lobte: „So ist es richtig! Du machst das gut!“ Die Kleine musterte kritisch das Blatt vor dem jungen Mann. „Aber dein Bild gefällt mir nicht!“, verkündete sie schließlich.
Pariot wirkte ehrlich betroffen: „Aber warum denn nicht?“
Die junge Kritikerin zeigte auf das Blatt und erklärte: „Na, weil Fluidos bei dir einen Bart hat wie mein Opa! Aber ich glaube, er ist gar nicht so alt, er ist höchstens so alt wie du!“
Der junge Mann lachte: „Oh, da habe ich mich natürlich geirrt, das werde ich gleich ... oh, Kinder, wir haben Besuch!“, rief er plötzlich, als er Jayel und Daphnus sah. Die Kinder blickten kurz auf, schenkten den beiden Fremden jedoch keine große Beachtung.
Pariot klatschte in die Hände: „Ich glaube, es reicht für heute. Geht schon einmal hinaus an den Strand, ich komme gleich nach!“ Die Kinder sprangen auf und liefen mit großer Begeisterung ins Freie hinaus. Kopfschüttelnd sah Pariot ihnen nach und erklärte: „Wir machen zum Schluss immer eine gemeinsame Andacht am Strand und singen dort für Fluidos. Das mögen sie besonders gerne.“ Er wischte sich die Hände an seiner Robe ab, die schon ziemlich mitgenommen aussah, und kam strahlend auf Jayel und Daphnus zu: „Seid gegrüßt im Tempel des Fluidos. Ihr müsst die Bardin und der Magier sein, von denen mir die Fischer schon berichtet haben!“
Jayel war keinesfalls erstaunt darüber, dass die Nachricht von ihrer Anwesenheit bereits bekannt war. Schließlich war das Dorf nicht groß und der Priester sicherlich einer der wichtigsten Bewohner. „Seid gegrüßt!“, erwiderte Jayel mit einer leichten Verneigung. Nachdem sie sich vorgestellt und dem jungen Priester von ihrer Aufgabe berichtet hatten, gingen die beiden Reisenden zum Altar und brachten ein Opfer in Form von Münzen dar, was Pariot mit sichtlicher Befriedigung zur Kenntnis nahm.
„Fluidos wird euch beschützen, wenn ihr in sein Reich kommt“, versprach er. „Ich selbst war zwar noch nie bei den Aquanten, aber sie sind sehr freundlich und verehren ebenfalls Fluidos – auch wenn er in ihrer Sprache einen anderen und für uns unaussprechlichen Namen trägt.“ Mit einem glücklichen Nicken nahm er die 50 Goldcelan entgegen, die Jayel ihm als Spende reichte. „Wie wundervoll!“, rief er, „jetzt kann ich endlich Farben für die Kinder kaufen. Sie malen so gerne, aber mit den momentanen Mitteln ist es nicht immer eine Freude...“
„Wird die Schule vom Orden des Fluidos unterstützt?“, fragte Daphnus, während Jayel unauffällig 50 weitere Münzen auf den Altar gleiten ließ. Vielleicht konnte die Schule auch etwas Papier gebrauchen.
„Aber ja“, entgegnete Pariot auf Daphnus Frage, „seit der
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