Das Feenorakel
grinste bei diesen Worten, und Alva dachte, dass die beiden Freunde sein mussten. Wahrscheinlich tat sie gut daran, nicht allzu viel auf ihr Geplänkel zu geben.
Die Kammer zog sie magisch an. Die Realität war aber, wie so häufig, ernüchternd. Nachdem sie den Lichtschalter ertastet hatte, enthüllte ein fahles Licht das Geheimnis. Keine Gitter vor dem Fenster, genau genommen überhaupt kein Fenster, aber ein Regal, zwei Kleiderstangen und dahinter tatsächlich ein Eisenbett, das zu breit wirkte, als dass man es durch die Tür hätte schieben können.
Tom bestätigte ihren Eindruck. «Wir hätten es zersägen müssen, um es herauszubekommen.»
«Hat denn der Vermieter nichts dazu gesagt?» Alva drehte sich zu ihm um.
«Weiß sie es nicht?» Stefan reichte erst ihr und dann Tom, der sich auf das Bett geworfen hatte, ein Glas. «Der Vermieter liegt auf deinem Bett, meine Schöne. Er hat das ganze Haus gekauft. Der Himmel mag wissen, woher das Geld dafür kommt. Mit ehrlicher Arbeit hat er es jedenfalls nicht verdient.»
Tom ignorierte den Kommentar. «Auf das neueste Mitglied unserer Künstler-Wohngemeinschaft!» Die Gläser klirrten, aber nachdem Alva einen Schluck getrunken hatte, stellte sie ihres ab. «Noch habe ich nichts entschieden. Das hängt auch ein bisschen vom Preis ab.»
«Höre ich da die Stimme der Vernunft?» Eine junge Frau sah aus dem hell erleuchteten Flur herein. Wäre sie eine Märchengestalt gewesen, dann hätte man sie vielleicht mit folgenden Worten beschrieben: Haare wie Feuer, ein Teint wie Milchschokolade und ein Mund wie die Sünde selbst.
Gutmütig ließ sie sich Alvas Begutachtung gefallen und das verschmitzte Lächeln nahm den folgenden Worten ihre Schärfe. «Interessant. Jetzt weiß ich, für wen Tom dieses Zimmer reserviert hat. Du gehörst doch hoffentlich nicht zu seinem Harem?»
«Nein, ich ...» Alva wusste nicht, wie sie ihr Verhältnis zu Tom erklären sollte. Hätte sie sich doch vorhin nur nicht von ihm küssen lassen.
«Sie hat sich noch nicht entschieden», soufflierte Stefan mit einem Augenzwinkern.
«Das ist gut! Eine Frau sollte sich immer ein Hintertürchen offenhalten, findest du nicht auch? Ich bin übrigens Christabella, aber auf Bella höre ich nicht.» Sie drohte mit dem Zeigefinger in Stefans Richtung. «Nenn mich Chris.» Sie warf ihnen eine Kusshand zu, drehte auf dem Absatz um und sagte über die Schulter gewandt: «Ihr hättet mir ruhig auch ein Glas reservieren können.»
Tom gab sich gelangweilt, doch der harte Zug um Stefans Mund wurde weicher, als er Chris nachsah. Sie bot aber auch einen verführerischen Anblick. Der Saum des kurzen Sommerkleids umschmeichelte bei jedem Schritt ihre schlanken Beine, das grellbunte Muster sorgte für den größtmöglichen Kontrast und die passenden Tücher, die sie in ihre Feuerpracht gebunden hatte, ließen nur erahnen, wie lang ihr Haar wirklich war.
Niemand sprach ein Wort, bevor es jedoch peinlich werden konnte, war Chris zurückgekehrt. In der Hand hielt sie ein Glas, das Stefan eilig füllte.
«Ihr Jungs könntet eigentlich das Gepäck aus dem Auto holen, sonst macht es nachher ein anderer.» Sie nahm einen Schluck, und als sich keiner bewegte, legte sie ihren Arm um Alvas Schulter. «Du bleibst doch, oder?»
Alva sah zu Tom. In seiner Miene war nichts zu lesen. «Das wäre wunderbar, aber ...»
«Wegen der Miete mach dir vorerst keine Sorgen. Sobald du einen Job gefunden hast, können wir darüber reden.»
Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Toms Wange. «Danke!» Aus dem Augenwinkel sah sie Stefan blinzeln. Er wirkte überrascht. Hatte er geglaubt, sie würde Tom aus Dankbarkeit in ihr Bett ziehen?
Chris schickte die beiden in den Hof hinunter, damit sie Alvas Sachen holen konnten, und Stefan verabschiedete sich schon vorsorglich, weil einer ja sein Geld ehrlich verdienen müsse .
«Hör nicht auf ihn. Komm, ich zeige dir die Küche. Hast du das Bad gesehen? Scheußlich, die Fliesen, oder?» Chris erklärte ihr die Kühlschrankaufteilung und wie man der Dusche warmes Wasser entlockte. «Du musst diesen Hebel umlegen und das Wasser eine Weile laufen lassen. Aber sei vorsichtig, wenn jemand die Klospülung nebenan bedient, dann wird es kochend heiß.»
Alva versprach aufzupassen und folgte Chris in den Flur.
«Tom wohnt auch zur Straße hinaus, zwischen euch liegt allerdings das Gästezimmer.» Sie öffnete die Tür und ließ Alva einen Blick hineinwerfen. Der Raum war nicht größer
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