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Das fehlende Glied in der Kette

Das fehlende Glied in der Kette

Titel: Das fehlende Glied in der Kette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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mitbekamen?»
    «Das hatte ich ganz vergessen», sagte ich nachdenklich. «Die ist und bleibt für mich rätselhaft. Es scheint unglaublich, dass eine so stolze und zurückhaltende Frau wie Mrs. Cavendish sich so heftig in etwas einmischt, das sie überhaupt nichts angeht.»
    «Genau. Für eine Frau ihrer Herkunft ein erstaunliches Verhalten.»
    «Gewiss merkwürdig», gab ich zu. «Aber es ist doch unwichtig und muss uns deshalb nicht weiter beschäftigen.»
    Von Poirot kam ein Stöhnen. «Was habe ich Ihnen immer gesagt? Alles muss berücksichtigt werden. Falls die Tatsache nicht zur Theorie passt, muss die Theorie fallen gelassen werden.»
    «Wir werden ja sehen», sagte ich pikiert.
    «Ja, wir werden sehen.»
    Wir hatten Leastways Cottage erreicht und Poirot nahm mich mit nach oben in sein Zimmer. Er bot mir eine der winzigen russischen Zigaretten an, die er gelegentlich rauchte. Amüsiert beobachtete ich, wie er die abgebrannten Streichhölzer höchst penibel in einer kleinen Porzellandose verwahrte. Meine Verärgerung von vorhin schwand.
    Poirot hatte zwei Stühle vor das offene Fenster gestellt, von wo aus man die Dorfstraße überblicken konnte. Die frische Luft war warm und angenehm, es würde ein heißer Tag werden.
    Plötzlich wurde meine Aufmerksamkeit von einem jungen Mann gefesselt, der in großer Eile die Straße entlang gelaufen kam. Sein Gesichtsausdruck war eigenartig – eine seltsame Mischung aus Entsetzen und Aufregung.
    «Sehen Sie nur, Poirot», sagte ich.
    Er beugte sich vor. «Tiens!», sagte er. «Das ist Mr. Mace von der Apotheke. Er kommt anscheinend hierher.»
    Der junge Mann hielt vor Leastways Cottage an, zögerte einen Moment und klopfte dann heftig an die Tür.
    «Einen Augenblick», rief Poirot aus dem Fenster. «Ich komme.»
    Er winkte mir, ihm zu folgen, und rannte schnell die Treppe hinunter. Mr. Mace begann sofort zu sprechen.
    «Oh, Monsieur Poirot, es tut mir Leid, dass ich störe, aber ich hörte, dass Sie gerade von Styles zurückgekommen sind.»
    «Ja, das stimmt.»
    Der junge Mann fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. In seinem Gesicht arbeitete es seltsam.
    «Im ganzen Dorf spricht man von der alten Mrs. Inglethorp, die so plötzlich starb. Sie sagen…», er senkte vorsichtig die Stimme, «dass es Gift war…»
    Poirots Gesicht blieb unbewegt. «Das können uns nur die Ärzte sagen, Mr. Mace.»
    «Ja, genau, natürlich…» Der junge Mann zögerte, aber dann übermannte ihn die Erregung. Er umklammerte Poirots Arm und flüsterte: «Sagen Sie mir nur eins, Mr. Poirot, es ist doch nicht Strychnin, oder?»
    Ich hörte kaum, was Poirot antwortete, es war offensichtlich irgendetwas Unverbindliches. Der junge Mann ging wieder, und als Poirot die Tür schloss, begegneten sich unsere Blicke.
    «Ja.» Er nickte ernst. «Er wird bei der Untersuchung aussagen müssen.»
    Wir gingen langsam wieder nach oben. Ich wollte gerade den Mund aufmachen, als Poirot mich mit einer Handbewegung davon abhielt.
    «Nicht jetzt, nicht jetzt, mon ami. Ich muss nachdenken. Meine Gedanken sind durcheinander geraten – das ist nicht gut.»
    Ungefähr zehn Minuten lang saß er in absolutem Schweigen völlig regungslos da, und nur seine Augenbrauen zuckten einige Male vielsagend. Dabei verstärkte sich das Funkeln seiner Augen und sie wurden immer grüner. Schließlich stieß er einen tiefen Seufzer aus.
    «Gut. Der schlimme Augenblick ist vorbei. Jetzt ist alles geordnet und eingereiht. Niemals darf man ein Chaos in seinen Gedanken dulden. Der Fall ist noch nicht klar – nein. Er ist sogar höchst kompliziert. Er ist mir ein Rätsel. Mir, Hercule Poirot! Es gibt zwei Tatsachen von Bedeutung.»
    «Und die wären?»
    «Die erste betrifft das gestrige Wetter. Das ist sehr wichtig.»
    «Aber es war ein wunderschöner Tag!», unterbrach ich ihn. «Poirot, Sie machen sich über mich lustig!»
    «Keineswegs. Das Thermometer zeigte dreißig Grad im Schatten. Vergessen Sie das nicht, mein Freund. Das ist der Schlüssel zu des Rätsels Lösung.»
    «Und der zweite Punkt?», fragte ich.
    «Die bedeutsame Tatsache, dass Mr. Inglethorp sich sehr merkwürdig kleidet, einen schwarzen Bart hat und eine Brille trägt.»
    «Poirot, ich kann nicht glauben, dass Sie das ernst meinen!»
    «Ich bin absolut ernst, mein Freund.»
    «Aber das ist kindisch!»
    «Nein, das ist höchst wichtig.»
    «Nehmen wir einmal an, die Untersuchung ergibt einen Urteilsspruch, sodass Alfred Inglethorp des Mordes angeklagt wird. Was wird

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