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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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gestreckt. Dann war er in dem Hinterhof, der
zu seinem Haus gehörte. Er stieg auf irgend etwas, genau wie Sam... Der Rest
war Beinarbeit, mit raschen, kleinen Korkenzieherdrehungen an jedem
Etagenabsatz. Sam hatte die Fenster verriegelt, als er drüben war, doch er
hatte bei seiner Rückkehr eines davon wieder geöffnet, zum Lüften. Jetzt hing
von dieser beiläufigen, unbedeutenden Handlung, bei der er sich nichts gedacht
hatte, sein Leben ab.
    Erster Stock, zweiter. Er war oben an
seinen Fenstern. Er hatte es geschafft. Irgend etwas stimmte nicht. Mit einer
weiteren Korkenzieherdrehung löste er sich wieder vom Fensterbrett und schoß
hinauf zum darüberliegenden Stockwerk, dem vierten. Etwas blitzte in der
Dunkelheit hinter einem der Fenster seiner Wohnung, wo er eben gestanden hatte,
auf, und ein Schuß hallte dumpf wider in der viereckigen Höhlung, wie eine
große Trommel.
    Er kletterte am vierten Stock vorbei,
auch am fünften, war jetzt am Dach. Noch einmal hatte er es geschafft. Oh, wie
er das Leben liebte! Die Jungs hinter den Fenstern seiner Wohnung konnten ihn
nicht mehr kriegen, er war jetzt direkt über ihnen, und dazwischen lagen
zuviele Feuertreppen.
    Ich war völlig damit beschäftigt, das
Geschehen dort drüben zu verfolgen. Plötzlich stand Boyne neben mir und zielte.
Ich hörte ihn murmeln: »Nicht, daß mir das Spaß macht, er wird verdammt tief
fallen .«
    Er stand gerade auf der Brüstung am
Dachrand, mit einem Stern genau über dem Kopf. Kein Glücksstern. Er versuchte
einen Augenblick zu lang, zu töten, ehe er selbst getötet wurde. Oder er wußte
vielleicht, daß es zu Ende war.
    Ein Schuß knallte, hoch droben am
Himmel, die Fensterscheibe direkt über uns zersplitterte, und eines der Bücher
direkt hinter mir platzte auseinander.
    Boyne verlor kein Wort mehr darüber,
wie wenig Spaß es ihm machte. Ich hatte das Gesicht von hinten gegen seinen Arm
gedrückt. Der Rückstoß knallte mir seinen Ellbogen gegen die Zähne. Ich blies
ein Loch in die Rauchwolke, um seinen Absturz zu verfolgen.
    Es war ziemlich übel. Eine ganze Weile
stand er auf der Brüstung und zeigte keine Reaktion. Dann ließ er den Revolver
fallen, als wolle er sagen: »Den brauch ich jetzt nicht mehr .« Dann folgte er ihm. Er blieb nicht an den Feuertreppen hängen, fiel in einem
Stück bis ganz nach unten. Er landete so weit draußen, daß er auf eines der
vorstehenden Bretter, die von meinem Fenster aus nicht zu sehen waren, auftraf.
Das schleuderte seinen Körper noch einmal nach oben, wie ein Sprungbrett. Dann
landete er ein zweites — und letztes Mal. Das war alles.
    Ich sagte zu Boyne: »Ich hab’s raus.
Endlich hab ich’s raus. Es ist die Wohnung im vierten Stock, die über seiner,
an der sie noch arbeiten. Der Boden in der Küche, der liegt höher als in den
anderen Zimmern. Sie wollten’s der Feuerpolizei recht machen und außerdem einen
interessanten architektonischen Effekt erzielen, so billig wie möglich. Grabt
ihn auf...«
    Er raste sofort hinüber, durch den Keller
und über die Zäune, um keine Zeit zu verlieren. Es gab noch keinen Strom in der
Wohnung, sie mußten ihre Taschenlampen benutzen. Es dauerte nicht lange, als
sie mal angefangen hatten. Nach etwa einer halben Stunde trat er ans Fenster
und winkte mir zu. Das hieß: Ja.
    Erst gegen acht Uhr morgens kam er
herüber; nachdem sie aufgeräumt und sie weggeschafft hatten. Beide, die warme
und die kalte Leiche. Er meinte: »Jeff, ich nehm alles zurück. Der verdammte
Idiot, den ich wegen dem Koffer da rausgeschickt hab — ach was, seine Schuld
war es eigentlich auch nicht. Ich bin selbst schuld. Er hatte ja nicht den
Auftrag, festzustellen, ob die Frau der Beschreibung, die wir hatten,
entsprach. Er sollte nur den Inhalt des Koffers überprüfen. Als er zurückkam,
hat er sie mir in groben Zügen beschrieben. Und wie ich zu Hause im Bett liege,
funkt’s auf einmal bei mir: Einer der Mieter, die ich vor zwei Tagen verhört
habe, hat uns eine Beschreibung von ihr geliefert, die in ein paar wichtigen
Punkten nicht mit seiner übereinstimmt. Viel langsamer kann man wirklich nicht
kapieren .«
    »Damit hab ich schon die ganze Zeit
Probleme«, stimmte ich in seine Klage ein. »Ich nenn’s Spätzündung. Hätt mich
um ein Haar das Leben gekostet .«
    »Ich bin Kriminalbeamter, du nicht .«
    »Und deshalb bist du auch genau im
richtigen Moment hier aufgetaucht ?«
    »Klar. Wir wollten ihn da drüben
abholen, zum Verhör. Und als er nicht da war, hab

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