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Das Fenster zum Hof

Das Fenster zum Hof

Titel: Das Fenster zum Hof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornell Woolrich
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Wunder war. Sie schob die drei
ungeduldig zur Tür. »Sie bringen mich so durcheinander, daß ich keinen klaren
Gedanken mehr fassen kann .«
    Sie verließen das Haus und schwatzten
draußen aufgeregt weiter. »Das gibt einen besseren Aufmacher, als wenn sie ihn
gehabt hätte! Da kann man was Tolles draus machen !«
    Mrs. Archer stand unterdessen am
Telefon. »Ja, Stephen, eben waren ein paar Reporter da, und die haben’s mir
gesagt. Er muß ja irgendwo sein; so ein Zettel kann sich doch nicht einfach in
Luft auflösen! Gut, das wär schön .«
    Er hatte gesagt: »Hundertfünfzigtausend
Dollar kann man sich doch nicht einfach durch die Lappen gehen lassen .« Er hatte gesagt: »Ich komm nach Hause und helf dir beim
Suchen .«
     
    Achtundvierzig Stunden später waren sie
mit ihrem Latein am Ende. Genauer gesagt, achtundvierzig Stunden später gaben
sie sich geschlagen. Mit ihrem Latein waren sie schon viel früher am Ende
gewesen.
    »Tränen bringen uns jetzt auch nicht
weiter .« Gereizt schaute Stephen Archer seine Frau
über den Tisch hinweg an. Ihrer beider Nerven waren zum Zerreißen gespannt, das
war in dieser Situation aber nicht weiter verwunderlich, und deshalb nahm sie
ihm den scharfen Tonfall auch nicht übel.
    Sie unterdrückte ein Schluchzen und
trocknete sich die Augen. »Ich weiß, aber — das ist doch eine Qual! So nah und
doch so fern! Soviel Geld zu bekommen, das wäre ein Wendepunkt in unserem Leben
gewesen. Wir hätten richtig leben können, anstatt nur zu existieren. All die
Dinge, die wir uns schon immer gewünscht haben, auf die wir bisher verzichten
mußten... Und jetzt sitzen wir da, können nichts machen und müssen zusehen, wie
es uns davontanzt wie ein Irrlicht! Ich wünsche mir schon beinahe, sie wären
nie zu mir gekommen und ich hätte es nie erfahren .«
    Zwischen ihnen auf dem Tisch häuften
sich vollgekritzelte Zettel. Es war eine Art Inventar, was sie da aufgestellt
hatten, ein seltsames Inventar: Es verzeichnete sämtlichen Besitz des
verstorbenen Harry Mead. Auf einem Zettel stand ganz oben: »Taschen, Koffer usw .« Auf einem anderen: »Schreibtisch, Büro, Schubladen usw.«
Auf wieder einem anderen: »Anzüge«. Und so weiter. Das meiste davon war
mittlerweile irgendwo verstreut, unauffindbar, nur ein paar Dinge befanden sich
noch in ihrem Besitz. Sie hatten eine Liste sämtlicher Gegenstände, die er bei
beziehungsweise kurz vor seinem Tod besessen hatte, anlegen wollen, um dann
allen möglichen Wegen nachzugehen, auf denen der Wettschein verschwunden sein
konnte. Ein hoffnungsloses Unterfangen.
    Einige Punkte waren abgehakt. Hinter
anderen stand ein Fragezeichen. Wieder andere waren mit einem Kreuzchen als
nicht in Betracht kommend gekennzeichnet. Stephen Archer ging, milde
ausgedrückt, methodisch vor; wer würde das nicht tun, wenn es um
hundertfünfzigtausend Dollar ging?
    Sie waren alles durchgegangen, Stück
für Stück, zehnmal, zwanzigmal, fünfzigmal, und während der Suche
vervollständigten, revidierten und überarbeiteten sie die Listen. Nach und nach
hatten die Häkchen und die Kreuze zahlenmäßig die Oberhand über die
Fragezeichen gewonnen. Sie hatten sogar Kontakt mit anderen Leuten aufgenommen,
früheren Freunden, Arbeitskollegen des Verstorbenen, seinem Friseur, dem
Barkeeper in seiner Stammkneipe, dem jungen Mann, der ihm einmal die Woche die
Schuhe geputzt hatte, mit allen, an die sie sich erinnern und die sie erreichen
konnten, um herauszufinden, ob er nicht vielleicht doch irgendwann einmal
beiläufig von einer Pferdewette gesprochen und vielleicht sogar erwähnt hatte,
wo der Zettel gelandet war. Kein Erfolg. Wenn er es nicht einmal für nötig
gehalten hatte, es seiner eigenen Frau zu erzählen, warum sollte er es dann
einem Außenstehenden mitteilen?
    Archer hörte auf, mit den Fingernägeln
auf die Tischplatte zu trommeln, schob verärgert seinen Stuhl zurück und kniff
die Augen zusammen. »Das macht mich noch wahnsinnig! Ich geh mir mal kurz die
Beine vertreten. Vielleicht fällt mir ja was ein, wenn ich alleine bin .« Er nahm seinen Hut und rief ihr von der Haustür aus zu:
»Gib nicht auf, Josie! Versuch, drauf zu kommen !« Das
hatte er in den letzten zwei Tagen immer wieder gesagt, und sie waren noch kein
Stück weiter. »Und laß niemand rein, wenn ich nicht da bin«, rief er ihr nach.
Das war auch so eine Sache. Sie wurden rund um die Uhr belästigt. Reporter,
Fremde, sensationslüsterne Bekannte.
    Er war kaum um die Ecke verschwunden,
als

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