Das Ferienhaus der Liebe
Simon trocken. Polly hatte sich mit dem Aufräumen Mühe gegeben, aber sie merkte wohl nicht, dass ihre Besitztümer sich unter seine Sachen geschmuggelt hatten. Auf der üblicherweise leeren Glasplatte des Couchtisches stapelten sich Bücher und Zeitschriften, dazwischen standen zwei benutzte Tassen, ein halb leeres Glas und ein Fläschchen Nagellack. Außerdem lagen die Ansichtskarten da, die sie zu schreiben begonnen hatte.
“Polly ist für die veränderte Atmosphäre verantwortlich”, sagte Simon sachlich.
Chantal lächelte Polly an. “Ich habe früher versucht, seine Wohnung etwas behaglicher zu machen, aber er hat mich nie etwas ändern lassen. Sie müssen eine ganz besondere Frau sein!”
“Das ist sie.” Simon legte Polly den Arm um die Schultern, und sie schmiegte sich an ihn, weil Julien sie beobachtete.
Er war einige Jahre älter als Chantal und sah sehr gut aus.
Offensichtlich betete er seine Frau an und ließ sie fast nicht aus den Augen. Chantals Bemerkung über ihre gemeinsame Zeit mit Simon hatte ihm sichtlich nicht gefallen.
Polly hätte es an seiner Stelle auch nicht behagt, vor allem, nachdem sie gesehen hatte, wie herzlich Simon Chantal zur Begrüßung umarmt hatte,
“Es freut mich, Sie endlich kennen zu lernen”, sagte Chantal nun zu Polly. “Sie sind gar nicht so, wie ich Sie mir Simons Beschreibung nach vorgestellt habe, sondern viel lässiger. Und Sie sehen sehr jung aus für eine erfolgreiche Anwältin.”
“Ich fürchte, du verwechselst Polly mit Helena”, mischte Simon sich nach einer winzigen Pause ein. Offensichtlich hatte er Chantal mehr über Helena erzählt, als ihm bewusst gewesen war.
Verlegen presste Chantal kurz die Hand an die Lippen.
“Entschuldigen Sie bitte, Polly. Du hast mir noch gar nichts davon erzählt, dass du eine neue Freundin hast”, warf sie Simon vor. “Seit wann bist du mit Polly zusammen?”
“Seit ungefähr zwei Monaten. Mit Helena hat es nicht mehr richtig geklappt.” Zärtlich strich er Polly übers Haar. “Dann traf ich Polly wieder, und es hat sofort zwischen uns gefunkt.”
Chantal lachte. “Ich wusste ja, dass dir das eines Tags doch noch passiert, Simon. Du brauchtest nur die richtige Frau zu treffen.”
“Ja”, stimmte er zögernd zu und sah Polly an, die rot wurde. “Und jetzt habe ich sie endlich gefunden.”
Polly wurde bei seinem Blick seltsam zu Mute, denn der wirkte beinah ehrlich. Sie durfte jedoch nicht vergessen, dass alles nur Theater war und sie ihre Rolle zu spielen hatte.
“Sollen wir es ihnen verraten?” fragte sie scheinbar impulsiv, dabei hatten sie diese Szene genau geprobt.
“Warum nicht?” sagte Simon.
Polly wandte sich Chantal und Julien zu und zeigte ihnen den Ring an ihrem Finger. “Simon und ich haben uns gestern verlobt”, verkündete sie und wunderte sich, dass Chantal nicht überrascht aussah, obwohl sie am besten wissen musste, dass Simon einen ganz anderen Typ Frau bevorzugte.
“Was für wunderbare Neuigkeiten!” rief Chantal und umarmte zuerst Polly, dann Simon.
Julien sah gleich viel weniger finster aus. “Herzlichen Glückwunsch”, gratulierte er und schüttelte Simon die Hand.
Die Komödie erfüllt anscheinend ihren Zweck, Julien zu beruhigen, und war die bisherigen Mühen wert, dachte Simon. Manchmal vergaß er beinah, dass alles nur Vorspiegelung war, gerade eben, zum Beispiel, als er Polly in die Augen gesehen hatte. Er musste sich einfach immer wieder daran erinnern, dass es eigentlich um das Wohl seiner Firma ging!
Chantal und Julien bestanden darauf, zur Feier des Tages eine Flasche Champagner zu öffnen. “Auf Polly und Simon!” prosteten sie ihnen zu, nachdem die Gläser gefüllt worden waren.
Polly lächelte höflich und sah fragend zu Simon. Irgendeine Geste war jetzt angebracht.
Er schien dasselbe zu denken, denn er neigte sich zu ihr und küsste sie zärtlich - aber leider nur kurz. Trotzdem wirkten sie als Paar offensichtlich überzeugend, denn Julien lächelte verständnisvoll.
“Erzählt, wie ihr euch kennen gelernt habt”, bat Chantal. “Ich möchte alles darüber wissen.”
Ihnen war klar gewesen, dass diese Frage gestellt werden würde, und sie hatten beschlossen, sich weitgehend an die Wahrheit zuhalten.
“Wir kannten uns schon als Kinder”, berichtete Polly. “Als Simon zu studieren anfing, haben sich unsere Wege getrennt, und in den vergangenen Jahren sind wir uns nur noch selten begegnet - bis wir uns kürzlich wieder zufällig getroffen
Weitere Kostenlose Bücher