Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fest Der Fliegen

Das Fest Der Fliegen

Titel: Das Fest Der Fliegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
Vom Netzwerk:
Regen und Algen, aber die Form des Baues, der ins späte 15. Jahrhundert datiert wurde, erweckte mit ihrer Grundsicherheit und Behäbigkeit Vertrauen und hatte, wenn man dem Mühlenhaus an einem sonnigen Mittag gegenüberstand, etwas Einladendes. Jetzt fand de Cupis, der sich duckte, um durch die Frontscheibe sehen zu können, dass dieser Ort unheimlich war. Martina stöhnte leise. Salviati stieg aus und rief Burton zu, dass die Narkose verlängert werden müsse. Der Ire schloss die Eichentür auf, die, wie Gottfreund stets stolz behauptet hatte, auch schon dreihundert Jahre alt war, trat in die Halle mit dem Mahlwerk und machte Licht. Zur selben Zeit öffnete Philippe de la Chambre, der einen Aktenkoffer trug, mit Martinas Schlüssel die Galerie am Neldaplatz. Durch die Scheiben fiel ausreichend Licht von den Straßenlaternen ins Innere des Ausstellungsraumes. De la Chambre entnahm dem Aktenkoffer die beiden in Gefrierbeuteln mit der Aufschrift M und S versiegelten Gläser. Er zog sich seine weißen Kellnerhandschuhe an, packte die Gläser aus, entnahm dem Koffer die Proseccoflasche, die er während der Matinee in der Treppenkammer deponiert hatte. Er verteilte ein paar Resttropfen aus ihr auf dem Tisch und stellte Flasche und Gläser in die Pfützen. Dann verließ er die Galerie und schloss die Tür ab. Er sah sich um. Die Altstadt war wie üblich, wenn es auf Mitternacht zuging, leblos und leer. De la Chambre holte ein Brecheisen aus dem Aktenkoffer und brach die Tür auf, die er gerade abgeschlossen hatte. Er betrat erneut die Galerie, ging mit dem Brecheisen von Bild zu Bild und schlug Risse und Löcher in die Leinwände. Er ging wahllos vor, ließ einige Porträts aus, zerstörte Stadtansichten und fuhr zuletzt mit dem Eisen durch das große Chamäleonbild, das er von rechts oben nach links unten diagonal zerfetzte. Dann packte er Gläser und Flasche in den Koffer und verließ die Ausstellung. Die Tür lehnte er an. Gegenüber in der Wilhelmstraße lagen die Gebäude des Baustoffhandels Ehrlicher. Vorne die Verwaltung, dahinter bis zur Mahr die Hallen und Lagerplätze. De la Chambre lief die Straße hinauf und fand die Abfallcontainer, von denen Burton ihm erzählt hatte. Er öffnete den für Papier und Pappe und warf die Gläser und die Proseccoflasche hinein. In einen anderen Container das Brecheisen. Etwas weiter südlich in der Wilhelmstraße lag rechter Hand die Sinzingervilla, linker Hand begannen die Kesselhäuser der Brauerei. Dazwischen spannte sich die alte Mahrbrücke, und an ihrem Anfang fand er einen kleinen Winkel, wo Gras aus dem Rinnstein wuchs und Unkraut den Asphalt überkroch. Dort warf er die Schlüssel der Galerie hin, richtete sich auf, blickte zurück und überlegte. Alle Anweisungen des Großabts waren ausgeführt. Er zog sich die weißen Handschuhe aus, steckte sie ein und machte sich auf den Heimweg.
    Noch war Swoboda nicht beunruhigt. Es kam vor, dass Martina im Hotel Korn bei ihrer Mutter blieb, um sie von der Flasche wegzuholen und ins Bett zu bringen. Sie ging dann nicht ans Telefon, und in ihrem eigenen Zimmer hörte sie es nicht. An der Kante des Hafenbeckens lief er langsam zurück, um die Straße zu finden, die nach links zum Hotel führte. Plötzlich blieb er stehen. Er hätte nicht sagen können, was ihn dazu bestimmte, nicht weiterzugehen. Vielleicht das, was Georges Lecouteux seine Nase nannte. Er spürte, dass sich die Situation plötzlich wandelte, ohne dass sich das Bild, das er sah, geändert hätte. Die grau gepflasterte Mole, Laternen, halb angeleuchtete Fischerboote und zwei kleinere Motorjachten. Kein ungewöhnliches Geräusch. Er drehte sich um. In einiger Entfernung sah er eine Bewegung im Halbdunkel. Eine Gestalt, die offenbar versuchte, die Persenning eines Bootes anzuheben und sich darunter zu verbergen. Nun ja, ein armer Teufel, der nicht wusste, wo er sich hinlegen sollte. Nichts, was der Rede wert war. Doch der andere richtete sich auf und sah zu Swoboda her. Auch er schien eine Veränderung zu spüren. Zwischen den beiden Männern entstand eine Spannung, die keiner von beiden hätte beschreiben oder gar begründen können. Sie starrten in die Nacht. Dann gingen sie aufeinander zu. Als jeder den anderen erkannte, blieben sie stehen. Beiden war unbegreiflich, dass sie jetzt zum fünften Mal zusammentrafen. So, als hätten sie ein gemeinsames Schicksal oder würden zu einer Entscheidung gezwungen, der sie bisher ausgewichen waren. Domingo riss seine Augen auf.

Weitere Kostenlose Bücher