Das Fest Der Fliegen
und Gottesmutter Maria, die vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an dein über alle Maßen stolzes Haupt in ihrer Demut zertreten hat!« Als er den Marienbefehl vernahm, ließ der Krampf in Domingos Gesicht nach. Er öffnete die Lippen und sagte leise: »Hilf mir, heilige Muttergottes.« Die anderen hörten nicht, was er sagte; Philippe de la Chambre war dem Dämon gegenübergetreten: »Wir beschwören dich, verfluchter Drache und alle teuflischen Legionen, durch Gott, den Lebendigen, Gott, den Wahrhaftigen, Gott, den Heiligen: Höre auf, die menschlichen Wesen zu täuschen und ihnen das Gift der ewigen Verderbnis einzuträufeln!« Der Großabt senkte das Kreuz auf Domingos Brust und schloss das Ritual: »Weiche, Satan, Erfinder und Lehrmeister jeglicher Falschheit, Feind des menschlichen Heils! Vade, satana!« Domingo spürte das Kreuz. Er wusste, dass es vorüber war, dass der Teufel seinen Leib verlassen und seine Seele freigegeben hatte. Er sagte laut und klar: »Ich gehorche. Ich beuge mich. Ich weiche.« In der Stille, die eintrat, standen die Brüder auf. Gian Pietro Carafa sagte: »Herr, erhöre unser Gebet, lass unser Rufen zu dir kommen.« Petrus Venerandus fuhr fort: »Der Herr sei mit euch.« Und
Domingo stimmte in die Antwort der anderen mit ein:
»Und mit deinem Geiste.«
Sie warteten, was der vom Dämon Erlöste sagen werde.
Er richtete sich auf, kniete vor dem Großabt und betete:
»O Jesu, der mich, wie ich hoffe, von allen Sünden gereinigt, mich von allen Krankheiten der Seele gesund gemacht
hat; gib mir deinen Segen, kraft dessen ich in Frieden hingehe, mein Leben bessere und nie mehr sündige. Amen.«
Und sie antworteten ihm: »Herr, befreie uns von den Nachstellungen des Teufels! Wir bitten dich. Erhöre uns. Dass
du die Feinde des Glaubens demütigen wolltest! Wir bitten dich. Erhöre uns.«
Der Großabt neigte sich Domingo freundlich zu, hob ihn
auf und umarmte ihn.
»Et aspergatur locus aqua benedicta!«
Dieser Aufforderung gemäß trat Giovanni Salviati vor,
tauchte die Hand in den silbernen Kelch und besprengte
den Ort mit Weihwasser.
VII Die Akte Rosenkranz
Sie schliefen beide noch, als das Telefon klingelte. Swoboda hielt seinen Traum fest, in dem er in einem See stand, dessen warmes Wasser ihm bis zum Hals ging. Um ihn her schwammen seine Bilder auf den Wellen. Er fragte sich, wie lange sie sich so halten konnten, schaukelnd über der Tiefe. Er griff nach dem nächsten und hob es aus dem Wasser. Bevor er es ansehen konnte, weckte ihn die Telefonklingel. Er hasste die modischen Quäkakkorde und Dudeldideldis und hatte das schrille altmodische Geräusch eingestellt, das wie ein Blechwecker in einer Untertasse voller loser Nägel klang. Bis er sich entschloss, aufzustehen, war bereits der Anrufbeantworter angesprungen, hatte die Ansage abgespielt und begonnen, die Nachricht aufzunehmen. »Alexander, wenn du da bist, bitte geh ran, es ist wichtig – hallo? – Alex! Bitte! Ich muss dich sprechen!« Kriminalrat Jürgen Klantzammer, sein ehemaliger Chef, klang fast immer ruhig und gefasst. Wenn in seiner Stimme Dramatik mitschwang, musste ihn etwas sehr beunruhigen. Swoboda lief in die Küche und nahm den Hörer auf. »Ja, ich bin hier, was gibt’s?« »Ich hab’s schon in der Galerie versucht, aber da ist niemand.«
»Martina ist hier, weshalb weckst du uns in aller Herrgottsfrühe, ich habe die Nacht durchgearbeitet.«
»Es ist halb elf«, sagte Klantzammer ungerührt. »Da bist
du früher schon zwei Stunden hier am Schreibtisch gewesen.«
Swoboda gähnte. »Lang her … Wie geht es deiner Mutter?«
»Gut, danke. Wir haben wieder einen Toten.«
»Und ich bin in Pension.«
»Ist mir bekannt, ich habe selbst unterschrieben«, sagte
Klantzammer. »Es geht aber nicht ohne dich, glaub mir,
ich hätte dich sonst nicht in aller Herrgottsfrühe –«
»Ich habe lange genug gebraucht, um zu begreifen, dass es
wunderbar ohne mich geht.«
Klantzammer sagte nichts. Er kannte Swoboda gut genug,
um zu wissen: Er musste nur warten, irgendwann würde
der ehemalige Kriminalkommissar fragen. Es dauerte fünf
Sekunden. Dann fragte Swoboda: »Worum geht es?«
»Ein Rosenkranzmord. Nummer sieben. In Frankfurt. Am
helllichten Tag.«
»Scheiße. Scheißescheißescheißescheiße! Ich will da nicht
reingezogen werden!«
»Du bist längst drin.«
Swoboda schwieg. Dann fragte er: »Wer ist es?«
»Ein Biologe. Aus den USA. Auf einem Kongress. Maritim-Hotel neben dem Messegelände. Die übliche Methode.
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