Das Fest der Köpfe
Mum.«
»Schon gut, das sagen die Faulen immer.« Sie gab ihm die Leinentasche. »Hier, nimm sie.«
Matt wußte, daß er fahren mußte. Es ärgerte ihn besonders an diesem Tag, der nicht zu den schönsten zählte. Der Himmel sah aus wie graues Blei, das sich immer tiefer drückte. Aus den Wolken nieselte der Regen wie ein feiner Schleier. Hielt man sich länger im Freien auf, durchnäßte er jedes Kleidungsstück.
Das Feld lag am Rand der Ortschaft, etwa eine Meile entfernt. Der Großvater hatte aus ihm im letzten Jahr einen Garten gemacht, eine Lebensaufgabe für den Rest seiner Tage. Seit seine Frau verstorben war, war er zum Eigenbrötler geworden. Nicht mal die Familie konnte ihn aufheitern. Mit Matt, dem Enkel, kam er gut aus. Die beiden so unterschiedlich alten Menschen wirkten oft wie Verschwörer. Außerdem hatte ihn der Großvater so manchesmal in Schutz genommen, wenn Matt wieder etwas angestellt hatte.
Matt ging. In der Tasche wurde das Essen in einem Spezialtopf warmgehalten. Er holte den Regenumhang und streifte ihn über. Das Zeug fühlte sich an wie eine Haut aus Gummi.
Der Nieselregen hatte seinem alten Rad einen matten Glanz gegeben. Matt stieg in den Sattel, den Leinenbeutel hatte er auf dem Gepäckträger festgeklemmt.
Die Strecke kannte er im Schlaf. Die Häuser sahen aus, als würden sie sich unter den Wolken immer tiefer zusammenducken. Von dem weiten Himmel über Irland konnte er höchstens träumen, zu sehen war da nichts.
Eigentlich war Kimberly ein schmuckes Städtchen, doch ein Wetter wie dieses machte alles gleich.
Matt kürzte ab. Er nahm die Feldwege, die leider schlammig waren. Große Pfützen verteilten sich dort wie breite Augen. Auf dem kleinen Hügel lag der Friedhof. Grabkreuze und Steine erinnerten den Vorbeifahrenden daran, daß auch sein Leben sich irgendwann dem Ende näherte. Aber Matt war noch jung. Das Sterben interessierte ihn nicht. Es war einfach zu weit weg.
Den Tod der Großmutter hatte er kaum mitbekommen. Er war bei einer Tante in Dublin gewesen und während der Beerdigung auch noch dort geblieben.
Der Regen wehte ihm ins Gesicht. Matt fluchte wütend. Dieser Sprüh näßte einfach alles durch. Erfand jede Lücke, die Hose war sehr bald ein feuchter Lappen in Höhe der Beine, die auch vom Spritzwasser der Pfützen erwischt wurden, wenn er hindurchfuhr. Er rollte weiter. Trat kräftig in die Pedale. Er wollte es schnell hinter sich bringen.
Die Häuser blieben zurück. Keine Gartenzäune grenzten die Grundstücke mehr ein. Gärten, Wiesen und Felder wechseilen sich ab. Er mußte nach links abbiegen. Nicht weit entfernt wuchsen mächtige Bäume. Sie bildeten praktisch die Grenze zum Garten des Großvaters. Matt mußte hart in die Pedale treten, der Untergrund war einfach zu weich geworden. Er fand die Lücke zwischen den Bäumen. Danach sah er das nasse Gitter. Es bestand aus Draht, der zu einem Zaun zusammengeflochten war. An ihn lehnte er das Rad.
Daß sich sein Großvater nicht im Garten aufhielt, hatte ersieh denken können. Bei diesem Wetterhielten sich nur Irre im Freien auf — und Typen wie er.
Matt nahm den Leinenbeutel. Das kleine Tor stand offen. Dahinter schnitt der Weg den Garten in zwei Hälften. Rechts wuchs das Gemüse, auf der linken Seite das Obst. Beide Felder endeten dort, wo das Haus stand. Eine Laube, eine Hütte. Aus Holz und alten Steinen errichtet. Der Großvater hatte sie selbst gebaut.
Die Tür fehlte noch. Aber Fenster hatte er bereits besorgt und sie eingesetzt.
Matt trat bewußt laut auf, er pfiff, damit er gehört werden konnte. Eigentlich hätte der Großvater jetzt erscheinen müssen, das tat er immer, aber an diesem Tag hielt er sich zurück. Es brannte auch kein Licht in der Laube. Wer es hell haben wollte, mußte sich auf Ölleuchten und Kerzen verlassen. Strom war Luxus.
Die Tür gab es nicht, dafür einen alten Vorhang. Der Regen hatte ihn genäßt und schwer gemacht. Der Junge mußte Kraft aufwenden, um ihn zur Seite ziehen zu können.
»He, Grandpa, ich bin es…«
Es blieb still.
»Bist du nicht da?« Matt betrat die Laube, in der es düster war. Noch trauriger als draußen.
Da standen die beiden Korbsessel, die alte Couch, der Tisch. In der Ecke lehnten Spaten und Schaufeln an der Wand. Daneben standen die klobigen Gartenschuhe des alten Mannes.
Er selbst war nicht zu sehen.
Neben einem Sessel blieb Matt stehen. Sein linkes Nasenloch zuckte, ein Zeichen, daß er nervös war.
Nur nervös, oder hatte er auch
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