Das Fest des Ziegenbocks
geschehen seit jenem Tag, an dem Salvador ihn kurz nach seinem Eintreffen in der Mahatma Gandhi 21 am Arm gefaßt und mit ernstem Gesicht in den entferntesten Winkel des Gartens geführt hatte.
»Ich muß dir etwas sagen, Amadito. Weil ich dich gern habe. Weil wir alle in diesem Haus dich gern haben.« Er sprach so leise, daß der junge Mann seinen Kopf vorreckte, um ihn zu verstehen. »Worum geht es, Salvador?«
»Darum, daß ich dir nicht bei deiner Karriere schaden will. Wenn du hier verkehrst, kannst du Probleme bekommen.« »Was für Probleme?«
Das fast immer entspannte Gesicht des Türken verkrampfte sich. Ein unruhiger Funken trat in seine Augen. »Ich arbeite mit den Leuten vom 14. Juni zusammen. Wenn das herauskommt, wäre das äußerst gravierend für dich. Ein Offizier aus dem Korps von Trujillos Militäradjutanten. Stell dir das mal vor!«
Nie hätte der Leutnant sich Salvador als geheimen Verschwörer vorgestellt, als Helfer der Leute, die sich nach der castristischen Invasion am 14. Juni in Constanza, Maimón und Estero Hondo, der so viele Menschen zum Opfer gefallen waren, zusammengefunden hatten, um gegen Trujillo zu kämpfen. Er wußte, daß der Türke das Regime haßte, und obwohl Salvador und seine Frau sich vor ihm zurückhielten, waren ihnen manchmal regierungsfeindliche Äußerungen herausgerutscht. Sie verstummten sofort, denn sie wußten, daß Amadito, obwohl Politik ihn nicht interessierte, dem Jefe Máximo, dem Wohltäter und Vater des Neuen Vaterlandes, der seit drei Jahrzehnten über die Geschicke der Republik und Leben und Tod der Dominikaner bestimmte, wie jeder Offizier der Armee in hündischer, inniger Treue ergeben war. »Kein Wort mehr, Salvador. Du hast es mir gesagt. Ich habe es gehört. Und ich habe schon vergessen, was ich gehört habe. Ich werde weiter herkommen, wie immer. Hier bin ich zu Hause.«
Salvador schaute ihn mit seinem reinen Blick an, der in Amadito immer das belebende Gefühl weckte, das Leben lohne sich.
»Dann laß uns ein Bier trinken. Nur kein Trübsinn.« Die ersten Personen, denen er seine Freundin vorstellte, als er sich verliebt hatte und an Heirat zu denken begann, waren, nach Tante Meca – seiner Lieblingstante unter den elf Schwestern seiner Mutter –, natürlich Salvador und Urania. Luisita Gil! Jedesmal, wenn er an sie dachte, drehte die Reue ihm die Eingeweide um, und bitterer Zorn stieg in ihm auf. Er holte eine Zigarette heraus und steckte sie sich in den Mund. Salvador zündete sie ihm mit seinem Feuerzeug an. Die hübsche kleine Braune, die anmutige, die kokette Luisita Gil. Nach Abschluß einiger Manöver hatte er mit zwei Kameraden eine Fahrt mit einem kleinen Segelboot unternommen, in La Romana. Am Anlegeplatz kauften zwei junge Mädchen frischen Fisch. Die drei sprachen sie an und gingen dann mit ihnen zum Platzkonzert. Die Mädchen luden sie zu einer Hochzeitsfeier ein. Nur Amadito konnte hingehen, denn er hatte einen Tag Urlaub, seine Kameraden mußten in die Kaserne zurück. Er verliebte sich bis über beide Ohren in dieses schlanke, braunhäutige, geistreiche Mädchen mit den blitzenden Augen, die wie ein Star der Dominikanischen Stimme Merengue tanzte. Und sie in ihn. Als sie zum zweiten Mal ausgingen, ins Kino und in ein Nachtlokal, konnte er sie küssen und streicheln. Sie war die Frau seines Lebens, er würde nie mit einer anderen Zusammensein können. Der gutaussehende Amadito hatte seit seinen Tagen als Kadett vielen Frauen ähnliche Dinge gesagt, aber dieses Mal meinte er es ernst. Luisa stellte ihn ihrer Familie vor, in La Romana, und er lud sie zum Essen zu seiner Tante Meca in Ciudad Trujillo ein, und an einem Sonntag zur Familie Estrella Sadhalá; sie waren entzückt von Luisa. Als er ihnen sagte, er habe vor, um ihre Hand anzuhalten, bestärkten sie ihn: sie war eine bezaubernde Frau. Amadito bat ihre Eltern in aller Form um ihre Hand. Den Vorschriften entsprechend beantragte er beim Kommando der Militäradjutanten die Erlaubnis zur Eheschließung.
Es war sein erster Zusammenstoß mit einer Wirklichkeit, die ihm trotz seiner neunundzwanzigjahre, seiner ausgezeichneten Benotungen, seiner hervorragenden Personalakte als Kadett und Offizier völlig unbekannt gewesen war. (›Wie den meisten Dominikanern‹, dachte er.) Die Beantwortung seines Antrags ließ auf sich warten. Man erklärte ihm, das Korps der Adjutanten habe ihn an den SIM weitergeleitet, damit dieser Nachforschungen über die Person anstelle. In einer Woche
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