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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Schuhen an den Füßen. Ein Staatsmann bereut seine Entscheidungen nicht. Er hatte nie irgend etwas bereut. Dieses Paar Bischöfe würde er lebendig den Haien vorwerfen. Nun begann die eigentlich genußvolle Phase der allmorgendlichen Körperpflege, bei der er immer an einen Roman denken mußte, den er als junger Mann gelesen hatte und der ihm als einziger stets gegenwärtig war: Quo vadìs? Eine Geschichte mit Römern und Christen, von der ihm das Bild des raffinierten, steinreichen Petronius im Gedächtnis geblieben war, des Schiedsrichters der Eleganz, der jeden Morgen dank der Massagen und Waschungen, Salböle, Essenzen, Parfüme und Liebkosungen seiner Sklavinnen zu neuem Leben erwachte. Wenn er Zeit hätte, wäre er dem Beispiel des Schiedsrichters gefolgt und hätte nach den Übungen, um die Muskeln zu wärmen und das Herz auf Trab zu bringen, den ganzen Morgen in den Händen von Masseusen, Pediküren, Maniküren, Friseuren, Bademeistern verbracht. Er ließ sich mittags, nach dem Essen, kurz massieren und mit mehr Muße an den Sonntagen, wenn er den fordernden Pflichten zwei oder drei Stunden stehlen konnte. Aber die Zeiten waren nicht danach, um sich mit Hilfe der sinnlichen Exerzitien des großen Petronius zu entspannen. Er mußte sich mit diesen zehn Minuten begnügen, in denen er das parfümierte Deodorant Yardley auftrug, das Manuel Alfonso ihm aus New York schickte – der arme Manuel, wie mochte es ihm gehen, nach der Operation –, die sanfte französische Feuchtigkeitscreme für das Gesicht, Bienfait du Matin, und das Kölnischwasser mit einem leichten Duft nach Maisfeldern, ebenfalls von Yardley, mit dem er sich die Brust abrieb. Als er gekämmt war und noch einmal über die Spitzen des kleinen Kinnbarts gestrichen hatte, den er seit zwanzig Jahren trug, bestäubte er sein Gesicht mit reichlich Talkum, bis die braune Farbe seiner mütterlichen Vorfahren, der haitianischen Neger, die er bei anderen und bei sich selbst immer verachtet hatte, unter einer zarten weißlichen Wolke verschwand.
    Um sechs Minuten vor fünf war er angekleidet, mit Jackett und Krawatte. Er stellte es zufrieden fest; nie überschritt er die Zeit. Es gehörte zu seinen abergläubischen Überzeugungen: wenn er nicht Punkt fünf Uhr sein Büro betrat, würde etwas Ungutes an dem Tag geschehen. Er tat ein paar Schritte zum Fenster. Es war noch immer dunkel, als wäre es Mitternacht. Aber er sah weniger Sterne als eine Stunde zuvor. Sie wirkten verzagt. Es war kurz davor, Tag zu werden, sie würden bald verlöschen. Er nahm einen Stock und ging zur Tür. Kaum hatte er sie geöffnet, hörte er die Absätze der beiden Militäradjutanten: »Guten Morgen, Exzellenz.« »Guten Morgen, Exzellenz.«
    Er antwortete ihnen mit einem Neigen des Kopfes. Mit einem raschen Blick sah er, daß sie korrekt uniformiert waren. Er gestattete keine Nachlässigkeit, keine Unordnung, weder bei einem Offizier noch bei einem gemeinen Soldaten der Streitkräfte, aber bei den Adjutanten, dem Korps, dem seine Bewachung oblag, stellten ein fehlender Knopf, ein Fleck oder eine Falte an der Hose oder an der Uniformjacke, ein schlecht sitzendes Käppi schwerwiegende Verstöße dar, die mit mehreren Tagen Haft und bisweilen mit Ausschluß und Rückkehr zu den regulären Bataillonen geahndet wurden. Eine leichte Brise bewegte die Bäume vor der Villa Radhamés, während er an ihnen vorbeiging und das Rauschen der Blätter vernahm und abermals das Wiehern eines Pferdes im Stall. Johnny Abbes, Rapport über den Verlauf der Kampagne, Besuch des Luftstützpunkts San Isidro, Rapport von Chirinos, Mittagessen mit dem marine, drei oder vier Audienzen, Beratung mit dem Innen- und Kultusminister, Beratung mit Balaguer, Beratung mit Cucho Älvarez Pina, dem Präsidenten der Dominikanischen Partei, und Spaziergang auf der Uferpromenade nach einem kurzen Besuch bei Mama Julia. Würde er zum Schlafen nach San Cristóbal fahren, um den schlechten Nachgeschmack jener Nacht loszuwerden? Er betrat sein Büro im Regierungspalast, als seine Uhr fünf zeigte. Auf seinem Arbeitstisch erwartete ihn das Frühstück –
    Fruchtsaft, Toast mit Butter, frisch aufgebrühter Kaffee –, mit zwei Tassen. Und, sich erhebend, die weichliche Gestalt des Chefs des Geheimdienstes, Oberst Johnny Abbes García: »Guten Morgen, Exzellenz.«
    III

    »Er kommt nicht«, rief Salvador plötzlich aus. »Noch ein verlorener Abend, ihr werdet schon sehen.« »Er kommt«, erwiderte Amadito rasch, ungeduldig.

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