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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cherry Wilder
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hinaufbemühte.
    Ich bot ihm meine Hilfe an, aber er winkte ab. Er gelangte zum Gipfel des Vorgebirges und blieb eine ganze Weile stehen, um den großen Rundbogen zu mustern, bis die Strahlen der untergehenden Sonne durch das Geflecht des Feuersymbols fielen.
    „Ich habe nie gedacht, je an diesem Ort zu stehen“, sagte er schließlich, „aber da bin ich, Tsorl-U-Tsorl, der Bürger von Tsagul, und ich begrüße die stolzen Geister des Feuer-Clans.“
    Wir räumten einen unüberdachten Raum auf, vielleicht eine alte Vorratskammer, und ich sammelte Blätter, um daraus eine Art Zelt herzustellen. Wir entzündeten noch ein Feuer mit der Glut des ersten heraufgebrachten und mit Laub bedeckten, um Qualm gegen die Insektenschwärme, die jetzt munter wurden, zu erzeugen. Ich hatte ein Fläschchen Balsam von Gwell Nu, und wir rieben damit unser Gesicht und unsere Glieder ein; es half recht gut; aber ich stellte fest, daß jeder auf den Inseln zerstochen wurde. Ich schlief, wobei ich meinen Verstand abschaltete und den Versuch machte, alle Phantome aus meinen Träumen zu verbannen; aber als ich ein- oder zweimal aufwachte, ging Tsorl rastlos umher, als suchte er Verbindung zu den Geistern dieses einsamen Ortes.
    Als die Große Sonne wieder aufging, regten sich die Tiere im Wald von Tsabeggan und auf allen Inseln. Tausend Flammenvögel stiegen kreischend auf; die kleineren Weljine und Baumsittiche flatterten zu ihrem Morgenchor empor. Ich stand auf dem begrasten Hof und empfand eine gewisse Freude. Ich war Teil der Insel, als sie erwachte, als der Morgenwind die Bäume und Ranken schüttelte und das Gras zerzauste.
    Ich war allein, Tsorl war nirgends zu sehen, und es gab keine anderen Stimmen als die der Vögel und Tiere; das Beste daran war, daß es keine ungewöhnlichen Stimmen gab. Ich wünschte, allein zu bleiben, ein Teil der Insel, ein Wesen zu sein, das je nach der Tageszeit schlief oder jagte, ein so freies Wesen, daß es keinen Namen hatte … Dann hörte ich ein Geräusch: Tsorl kam durch den Torbogen.
    Er war am Strand gewesen und hatte in einem Netz aus spitzenartigen Blättern vier Fische gefangen, worüber er sich so freute, als hätte er ein neues Kanalisationssystem für Tsagul angelegt. Ich betrachtete den Abgesandten aus den Augenwinkeln, als er das Feuer anfachte: Er war alt, fast so alt wie Horn, verkrüppelt und ohne seine Ehren, seine Macht schien völlig geschwunden zu sein. Er glich einem Toten, als wäre er tatsächlich in der Sondereinfriedung von Itsik begraben worden. Trotzdem hatte seine Lebensflamme nie heller in ihm geleuchtet; er war tapfer und stark, während ich es war, die vor der Welt zurückschrak.
    „Ich habe unsere Anhaltspunkte“, sagte er. „Der alte Landeplatz, wohin sie das Baumaterial für diese Villa brachten, liegt im Westen. Es gibt eine Straße, und ich glaube, daß sie direkt zum Kai hinabführt.“
    Wir wandelten in den verfallenen Gemächern der Villa herum und entdeckten weitere Stufen und eine Rampe, die in den Wald führte. Da war eine Straße, die noch immer nicht überwuchert war. Sie verlief unter einem leichten Rankendach wie ein breiter begraster Laufgraben.
    „Ich muß auf die Jagd gehen“, sagte ich, „und die Augen für Eure Fremden offenhalten.“
    „Paßt auf“, sagte der Abgesandte.
    „Haltet Ihr sie für sehr gefährlich?“
    Er lachte laut.
    „Sie halten dich vielleicht für gefährlich!“ sagte er. „Du hast dich noch nicht selbst gesehen, Yolo Horn. Selbst wenn du diese Tyranninnen von deinen Muskeln nähmest, hieße das noch nicht, daß sie nicht mehr da wären. Du könntest eine wilde Insulanerin sein, die durch die Bäume pirscht und Jagd auf wer weiß welches Wild macht. Ängstige die Fremden nicht. Es ist genauso wichtig, die Fremden nicht zu ängstigen, wie keine Angst vor ihnen zu haben.“
    „Was soll ich denn tun?“
    „Dich still verhalten und wachsam sein. Halte Ausschau auf der Ebene nach einem Lager. Dort wird ein wer weiß wie großes Luftschiff aus Metall sein, und du wirst es mühelos durch die Bäume sehen oder hören. Entdeck sie zuerst, komm dann zurück, um mir darüber Bericht zu erstatten.“
    Ich betrachtete die winkende Straße und den Wald und empfand nur noch einen Hauch meiner üblichen Angst. Ich konnte kaum glauben, daß sich Fremde auf der Insel befanden; es war ein Traum, eine Fehleinschätzung; sie waren alle schon wieder weggeflogen. Ich hatte einen neuen Rotholzstab und mein Messer und meinen um die Hüften

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