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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cherry Wilder
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Wassers.
    „Wir müssen Tsabeggan bald erreichen“, sagte ich, „sonst verdursten wir.“
    „Ehe die Große Sonne morgen untergeht“, sagte der Abgesandte, „oder sogar noch früher. Wir könnten Schwierigkeiten haben, mit diesem Roß zu landen.“
    „Seid Ihr sicher, welche dieser Inseln Tsabeggan ist?“
    „Natürlich! Lehr deine Großmutter nicht, wie sie Laubmuster weben soll!“
    „Das ist ein alter Faden! In der Neuen Grube sagten wir: ‚Verratet den Alten nicht, wie Bälge aufgeblasen werden!’“
    Tsorl lachte laut. Wir nippten unser abgestandenes Wasser, und ich legte mich zurück, um den bestirnten Himmel zu betrachten. Ich dachte an meine Vision von der alten Elbin Tsatroy, die Sterne um ihren Umhang schleuderte, und ich schilderte sie dem Abgesandten. Er lachte wieder, diesmal leiser.
    „Das ist ein schöner Traum, Yolo Horn“, sagte er, „aber die alte Elbin glich überhaupt nicht dieser hochgewachsenen und feenhaften Gestalt.“
    „Habt Ihr sie gesehen? Wie sah sie aus?“
    „Sie besuchte … sie kam auf ihren Wanderungen durch Trill Fall, als ich ein Kind war“, sagte er. „Sie war jeden Zoll eine Grande, erinnere ich mich. Eine kleine, gepflegte, vogelähnliche Person mit schwarzen Augen wie ein Falke. Sie sprach nur selten … das gehörte zu ihrem Wahnsinn. Sie pfiff ihren zwei alten Leibwächterinnen, damit sie ihre Gaben bringen sollten. Sie ließ sie einen gewebten Sack bringen, um denen, die sie unterwegs traf, Geschenke zu machen; sie griff in den Sack und holte etwas hervor. Es war ein Glücksspiel: es konnte ein Schmuckstück sein oder ein wertloser Zinnbecher.“
    Tsorl lachte nochmals, freilich traurig, und hob seinen rechten Arm.
    „Dieses Armband stammt indirekt von ihr. Sie schenkte meinem Vater einen Messingleuchter aus ihrem Sack, und er schmolz ihn ein und fertigte daraus dies Armband an. Ich habe ihn nur dann abgestreift, wenn ich, als ich größer wurde, ein Stück Metall einfügen mußte.“
    Das wirkliche Bild, das er mir von der Wahnsinnigen Elbin gab, war nicht so eindrucksvoll wie mein Traum, aber es verfolgte mich seitdem. Ich schaute mir die vorbeigleitenden Umrisse der nun im Licht der Fernen Sonne graugrünen Inseln an und betete zu der alten Feuermutter, ich kündete ihr unsere Ankunft in ihrer Villa auf Tsabeggan an. Ich dachte kaum an die Fremden, die wir dort wohl antreffen würden, aber in dieser Nacht gingen sie durch meine Träume, mit funkelnden runden Augen, die so blau waren wie die Kristalle von Kupfersalz.
    Als die Große Sonne aufging, befanden wir uns mitten zwischen den Inseln auf festem Kurs in der Rundströmung zurück nach Westen. Wir hielten eifrig Ausschau nach bewohnten Orten, und einmal entdeckten wir einen Anlegeplatz und eine Rodung, die von Gewürzhändlern benutzt wurden. Auf zwei Inseln weit im Nordwesten erblickten wir Rauch; vielleicht waren das die Ansiedlungen der Insulaner – der primitiven Moruianer –, die in der Legende erwähnt werden.
    Das Floß hätte mehrmals ohne weiteres auf Sand- oder Kieselstränden unter Ranken und hohen Fieberbäumen landen können. Wir erkannten einige Rotholz- und Bara-Bäume, aber auch unzählige spitzengleiche Ranken mit so großen Blättern, daß sie als Umhang hätten dienen können, und das Grüngefieder ihrer gewaltigen zähen Blätter. Die Fieberbäume hatten glitschige Stämme, die schuppig waren und in der Dunkelheit des Waldes blau schimmerten.
    Tsorl blickte zu der Insel Tsabeggan, die fast so groß wie Hindan war und steil aufragte. Ihr Hauptberg war ein glatter Kegel, wurde aber von niedrigeren schroffen Hügelketten umringt. Als wir uns mittags ihr näherten, entstanden in der Rundströmung, die uns so gut gedient hatte, plötzlich Strudel. Wir trieben schneller dahin und bogen von dem grünen Vorgebirge von Tsabeggan ab.
    Ich hatte meine gute Rotholzstange verloren, aber ich riß eine lange Latte aus dem Zaun in der Mitte des Floßes. Ich versuchte zu einem weißen Sandstrand unterhalb des Vorgebirges zu rudern. Tsorl ergriff auch eine Latte, und wir ruderten beide zügig; wir erreichten den flachen Strand der Bucht und zogen unser Floß Finger um Fingerbreit darauf zu, während die Strömung uns zurückzureißen versuchte. Ich band ein Seil fest, sprang in das seichte blaue Wasser und zerrte es an den Strand. Ich holte es mit aller Kraft ein, und Tsorl half mit seiner Latte mit; plötzlich erfaßte eine Woge, als hätte die Rundströmung unsere Torheit satt, das Floß und

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