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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cherry Wilder
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oder Stromschnelle erkennen. Überall um uns herum zeichneten sich auf der Meeresoberfläche die Merkmale der Inseln ab: Äste, Riesenblätter, spitzdünn zerfasert durch das Wasser, aufgeweichte Stämme, Büschel seltsamer Früchte.
    Ich hatte den ganzen Morgen schwer gearbeitet und legte mich, nachdem ich mich an unserem Wasser und Obst und Schwarzbrot gelabt hatte, schlafen. Tsorl saß zwischen den Überresten unseres Bara-Strohs und starrte die Küste von Hindan an. Ich schlief und schlief den ganzen Nachmittag hindurch, und Tsorl weckte mich kurz vor dem Untergang der Großen Sonne. Ich sah, daß er alles befestigt hatte – jeden Proviantbeutel. Er zeigte stumm nach vorne; ich sah an der Küste von Hindan Regenbogen, runde und gewölbte Lichtstreifen auf der Meeresoberfläche tanzen, wo die Rundströmung schnell zwischen die Inseln floß.
    Stromschnellen! Als sich unsere Fahrt beschleunigte, begann das Floß zu schwanken und zu schlingern. Wir sahen die Stromschnellen, weiß wie gebleckte Zähne, und etwas weiter die Küste von Steen in der Meerenge – sie war so schmal, daß sie einer finsteren von Ranken überwucherten Rinne voll strudelnden Schaums glich.
    Es war noch genug von dem ausgezeichneten von mir aus Itsik gestohlenen Seil übrig, um auf dem Deck des Floßes zwei Schlaufen zu knüpfen und sie mit den alten Tauen zu verflechten, die die Stämme des Floßes zusammenhielten. Wir quetschten uns bäuchlings unter die Schlaufen und riefen uns Ermunterungen über den anwachsenden Lärm des Wassers zu. Wir hatten keine Zeit, Angst zu haben; die Stromschnellen schienen sich gierig nach uns auszustrecken, stärker als die Rundströmung selbst. Das Floß wirbelte wie wild herum, kippte zur Seite und bebte von hinten bis vorne. Wir wurden mit großer Geschwindigkeit in die aufgebrachte Meerenge zwischen den Inseln getrieben.
    Lange Zeit konnte ich nichts anderes sehen als das dichte Spritzen; es füllte meinen Mund und meine Nasenlöcher, so daß ich kaum noch atmen konnte; überall tobte das Wasser. Dicke Baumstämme und Krüppelpinienäste fegten über das Floß und drohten uns von dem Deck zu reißen. Das hielt an, bis ich dachte, daß es nie aufhören würde. Wenn ich den Kopf hob, sah ich flüchtig, wie das Floß von einem Ufer der Meerenge zur anderen geschleudert wurde. Es kratzte unten über Felsen und blieb manchmal an einer höheren Klippe hängen, die aus den Stromschnellen aufragte. Dann hielt es inne und drehte sich, halb aus dem Wasser, um sich selbst, während wir beide uns wie Saugfische an das Deck klammerten. Jedesmal, wenn das Floß sich wieder ins Wasser senkte, wurde es fortgerissen.
    Schließlich hob Tsorl den Kopf und rief etwas; ehe ich dessen gewahr wurde, blieb das Floß wieder hängen, dann wurde es in die Luftleere katapultiert. Das Heck wippte so hoch, daß ich dachte, es würde sich umdrehen und uns unter sich ertränken, aber nochmals landete es mit einem solchen Ruck unten, daß mir der Atem stockte. Ich schaute zurück und sah, daß wir über eine Felsgruppe, die einen Wasserfall verursachte, getragen worden waren. Das Floß taumelte am Fuß des Wasserfalls und trieb dann wieder ruhig in der Rundströmung zwischen die Inseln.
    Die Küste von Hindan erhob sich zu unserer Linken, und der Felsenstrand von Steen blieb schon zu unserer Rechten zurück. Das Merkwürdigste von allem war, daß die Dunkelheit während unserer Prüfung angebrochen war. Wir trieben so sanft dahin, als wären wir tot und würden als körperlose Geister auf dem Wind davongetragen. Über uns konnten wir die Sterne sehen und rings um uns herum zeichneten sich die Konturen der Inseln auf dem Meer ab.
    Anfangs war es kalt; wir lagen erschöpft da und wechselten ein paar Worte. Dann stahl sich die natürliche Hitze des Äquators von Torin über unser durchnäßtes Floß und die spärlichen Überreste unserer Ausrüstung. Ich kroch aus der Schlaufe und begutachtete unsere Vorräte. Die aufgehende Ferne Sonne zeigte ein leergespültes Floß; die Einzäunung enthielt kaum noch eine Brotbaumrinde, an dem ein Sonner hätte knappern können. Die Vanos, die Säuberer des Ozeans, waren weit zurückgelassen worden. Kein Fetzen von Bara-Abfall war übriggeblieben. Unsere zuverlässigen Wasserschläuche, die ich aufzufüllen versucht hatte, wenn es regnete, waren immer noch an ihrem Platz festgebunden, aber einer davon war von Dornen durchlöchert worden und ausgelaufen; der andere enthielt nur wenige Tassen abgestandenen

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