Das Feuer von Innen
Montagepunkt in der Weise verschieben, daß es ihm mit Leichtigkeit gelinge, auch die Alltagswelt zusammenzusetzen. Wie dieser Austausch geborgter Energie vonstatten ging, das hatte Don Juans Wohltäter, wie Don Juan erzählte, folgendermaßen erklärt: Der alte Zauberer setzte den Montagepunkt des Nagual in Bewegung, und zwar so, daß er die Emanationen des Verbündeten im Innern des Kokon des Nagual hervorhob. Dann machte er sich den starken Energie-Stoß zunutze, der ausgelöst wurde durch diese, nach so tiefem Schlummer plötzlich ausgerichteten Emanationen.
Die in unserm Inneren, in den schlummernden Emanationen eingeschlossene Energie, sagte er, habe eine ungeheure Macht und eine unermeßliche Reichweite. Von der Reichweite dieser ungeheuren Macht könnten wir uns nur einen ungefähren Begriff machen, wenn wir bedächten, daß die Energie, die an unserem Wahrnehmen und Agieren in der alltäglichen Welt beteiligt sei, durch die Ausrichtung kaum eines Zehntels der im Kokon des Menschen eingeschlossenen Emanationen hervorgebracht werde.
»Im Augenblick des Todes geschieht es, daß all diese Energie auf einmal freigesetzt wird«, fuhr er fort. »In diesem Augenblick werden die Lebewesen von dieser ganz unvorstellbaren Macht überflutet. Es ist nicht die rollende Kraft, die ihre Lücken aufbricht, denn diese Kraft dringt niemals ins Innere des Kokon ein; sie läßt ihn lediglich platzen. Was sie vielmehr überflutet, ist die Macht all der Emanationen, die plötzlich ausgerichtet werden, nachdem sie ein Leben lang schlummerten. Für eine so gewaltige Macht gibt es keinen anderen Ausweg als durch die Lücke.« Und jener alte Zauberer, fügte er hinzu, habe einen Weg gefunden, diese Energie anzuzapfen. Indem er ein beschränktes und genau bestimmtes Spektrum der schlummernden Emanationen im Kokon des Nagual ausrichte, könne der Seher einen beschränkten, aber gewaltigen Energie-Stoß erschließen. »Wie, glaubst du, nimmt er diese Energie in seinen eigenen Körper auf?« fragte ich.
»Indem er die Lücke des Nagual aufbricht«, antwortete er. »Er bewegt den Montagepunkt des Nagual, bis die Lücke sich ein wenig öffnet. Wenn die Energie der neu ausgerichteten Emanationen durch diese Öffnung freigelassen wird, nimmt er sie in seine eigene Lücke auf.« »Warum tut der alte Seher das?« fragte ich. »Ich glaube, er ist in einem Kreislauf gefangen, aus dem er nicht ausbrechen kann«, antwortete er. »Wir haben einen Pakt mit ihm geschlossen. Er tut sein Bestes, ihn zu halten, und wir tun ebenfalls unser Bestes. Wir können ihn nicht verurteilen, und doch müssen wir wissen, daß sein Weg nicht zur Freiheit führt. Er weiß es, und er weiß auch, daß er nichts daran ändern kann. Er ist in einer selbstverursachten Situation gefangen. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als seine verbündetenähnliche Existenz zu verlängern, solange er kann.«
16. Die Form des Menschen
Gleich nach dem Essen setzten Don Juan und ich uns hin, um zu sprechen. Ohne Überleitung fing er an. Er gab zu verstehen, wir wären am Ende seiner Erklärung angelangt. Ausführlich und gewissenhaft, sagte er, habe er nun mit mir alle Wahrheiten über das Bewußtsein diskutiert, die die alten Seher entdeckt hätten. Er betonte, ich kenne nun das System, zu dem sie diese Wahrheiten zusammenfügten. In den letzten Abschnitten seiner Erklärung, sagte er, habe er mir in aller Ausführlichkeit die zwei Kräfte erläutert, die unseren Montagepunkt in Bewegung zu setzen helfen: den Schub der Erde und die rollende Kraft. Auch habe er mir die drei von den neuen Sehern ausgearbeiteten Techniken erläutert -das Pirschen, die Absicht und das Träumen - sowie deren Auswirkung auf die Bewegung des Montagepunktes. »Jetzt bleibt dir nur noch eines zu tun, bevor die Erklärung über die Meisterschaft des Bewußtseins abgeschlossen ist«, fuhr er fort. »Du mußt selbst die Barriere der Wahrnehmung durchbrechen. Du mußt deinen Montagepunkt ohne die Hilfe eines anderen in Bewegung bringen und dich an einem anderen großen Emanationen-Band ausrichten.
Tätest du dies nicht, dann bliebe alles, was du gelernt und mit mir getan hast, bloßes Gerede, nur Worte. Und Worte sind billig zu haben.«
Wenn sich der Montagepunkt aus seiner gewohnten Position abweiche und eine gewisse Tiefe erreiche, erklärte er, durchbreche er eine Barriere, die seine Fähigkeit, Emanationen auszurichten, für eine Weile aufhebe. Dies erlebten wir als einen Augenblick der Wahrnehmungs-Leere.
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