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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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war so fremdartig, daß ich mich nicht einmal fürchtete. Ich war fasziniert. Was immer es sein mochte, das dort vor mir aufgetaucht war - es war kein Mensch. Es ähnelte auch nicht im entferntesten einem Menschen. Eher glich es einem Reptil oder einem grotesken pummeligen Insekt. Oder sogar einem behaarten, grauenhaft abstoßenden Vogel. Sein Körper war von dunkler Farbe und hatte eine rauhe, rötliche Behaarung. Ich sah keine Beine, nur diesen häßlichen riesigen Kopf. Die Nase war flach, und die Nüstern waren zwei große Löcher an den Seiten. Es hatte so etwas wie einen Schnabel mit Zähnen. So gräßlich das Ding auch sein mochte, seine Augen waren wunderbar. Sie waren zwei hypnotisierende Seen von unvorstellbarer Klarheit. Sie beherbergten Wissen. Es waren keine menschlichen Augen, auch nicht die eines Vogels oder irgendeiner Tierart, die ich schon einmal gesehen hätte.
    Die Kreatur wandte sich nach links und raschelte in den Büschen. Als ich den Kopf drehte, um ihr zu folgen, merkte ich, daß Don Juan und Genaro, genau wie ich, von der Erscheinung fasziniert waren. Mir schien es, als hätten auch sie noch nie dergleichen gesehen.
    Im nächsten Moment war die Kreatur ganz verschwunden. Doch gleich darauf wurde ein Knurren laut, und ihre riesige Silhouette türmte sich vor uns auf.
    Ich war wie gebannt, und gleichzeitig beunruhigte mich die Tatsache, daß mich diese groteske Kreatur nicht im mindesten erschreckte. Es war, als habe vorhin ein anderer meine Panik durchgemacht.
    Irgendwann merkte ich, daß ich im Begriff war aufzustehen. Ganz gegen meinen Willen streckten sich meine Beine, und schließlich stand ich aufrecht dieser Kreatur gegenüber. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, als zöge ich meine Jacke, mein Hemd und meine Schuhe aus. Dann war ich nackt. Die Muskeln in meinen Beinen verspannten sich in übermächtiger Konzentration. Mit kolossaler Behendigkeit hüpfte ich auf und ab, und dann rasten die Kreatur und ich davon, einem Schimmer unbeschreiblichen Grüns entgegen.
    Die Kreatur raste vor mir her, wobei sie sich wie eine Schlange ringelte. Dann holte ich sie ein. Wie wir so nebeneinander dahinsausten, wurde mir etwas klar, das ich bereits wußte - daß diese Kreatur tatsächlich la Catalina war. Und plötzlich rannte la Catalina in Fleisch und Blut neben mir. Wir bewegten uns mühelos. Es war, als verharrten wir auf der Stelle, nur körperlich in einer Haltung von Bewegung und Schnelligkeit posierend, während die Szene rund um uns her sich bewegte und den Eindruck enormer Geschwindigkeit hervorrief.
    Unser Rennen endete so plötzlich, wie es angefangen hatte, und dann fand ich mich mit la Catalina allein - in einer anderen Welt. Dort gab es nichts, was ich wiedererkannt hätte. Da war ein intensives Leuchten, und Hitze strahlte von etwas ab, das der Boden zu sein schien - ein Boden, bedeckt mit riesigen Felsen. Oder wenigstens schienen es mir Felsen zu sein. Sie hatten die Farbe von Sandstein. Aber sie hatten kein Gewicht; sie waren eher wie Brocken eines schwammigen Gewebes. Ich konnte sie umherwälzen, indem ich nur leicht dagegen drückte. Ich war so hingerissen von meiner Kraft, daß ich alles andere vergaß. Ich war, auf welche Weise auch immer, zu der Überzeugung gelangt, daß diese Ballen scheinbar gewichtsloser Materie mir dennoch Widerstand böten. Ich glaubte, es sei meine überlegene Kraft, die sie umherschleuderte.
    Ich versuchte, sie mit den Händen zu greifen, und da erkannte ich, daß mein ganzer Körper sich verändert hatte. La Catalina sah mich an. Sie war wieder die groteske Kreatur von vorhin - und ich war ihr gleich. Ich konnte mich selbst nicht sehen, aber ich wußte, daß wir uns vollkommen glichen.
    Eine unbeschreibliche Freude überkam mich dann, eine Freude wie eine von außen kommende Kraft. La Catalina und ich hüpften und rangelten und alberten herum, bis ich keinerlei Gedanken oder Gefühle, und auch nichts mehr von menschlicher Bewußtheit hatte. Und doch war ich eindeutig bewußt. Meine Bewußtheit war ein unbestimmtes Wissen, das mir Selbstvertrauen schenkte; es war ein grenzenloses Vertrauen, eine physische Gewißheit meiner Existenz, nicht im Sinne eines menschlichen Individualitätsgefühls, sondern im Sinne einer Gegenwart, die alles einbegriff.
    Dann rückte alles wieder in menschliche Dimensionen. La Catalina hielt mich an der Hand. Wir wanderten zwischen Wüstenbüschen über den Wüstenboden. Sofort wurde mir schmerzhaft bewußt, daß die Steine und

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