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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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harten Sandklumpen der Wüste meine nackten Füße verletzten.
    Wir kamen an eine vegetationslose Stelle. Don Juan und Genaro waren da. Ich setzte mich und zog meine Kleider an.
    Mein Erlebnis mit la Catalina verzögerte unsere Rückreise in den Süden Mexikos. Es hatte mich auf irgendeine unbeschreibliche Weise aus den Angeln gehoben. In meinem normalen Bewußtseinszustand war ich desorientiert. Es war, als hätte ich meinen Bezugspunkt verloren. Ich war verzweifelt. Ich hatte sogar, wie ich Don Juan erzählte, keinen Wunsch mehr zu leben. Wir saßen auf der Veranda, vor Don Juans Haus. Die Säcke waren in mein Auto verladen, und wir waren bereit, uns auf den Weg zu machen, aber ich wurde von Verzweiflung überwältigt, und ich fing an zu weinen.
    Don Juan und Genaro lachten, bis ihnen die Tränen über die Wangen flössen. Je verzweifelter ich war, desto fröhlicher wurden sie. Schließlich ließ Don Juan mich in den Zustand gesteigerter Bewußtheit überwechseln und erklärte mir, daß ihr Gelächter nicht unfreundlich gemeint oder ein Zeichen verkehrten Humors sei, sondern ein echter Ausdruck der Freude, da sie meinen Fortschritt auf dem Pfad des Wissens sähen.
    »Ich will dir erzählen, was der Nagual Julian zu sagen pflegte, wenn er uns an diesem Punkt stehen sah, wo du jetzt stehst«, fuhr Don Juan fort. »Dann wirst du wissen, daß du nicht allein bist. Was dir jetzt widerfährt, widerfährt jedem, der genug Energie aufgespeichert hat, um einen Blick ins Unbekannte zu tun.« Der Nagual Julian, erzählte er, pflegte ihnen zu sagen, sie wären aus ihrem Zuhause vertrieben worden, in dem sie ihr ganzes Leben lang gelebt hätten. Das Auseinanderfallen ihres behaglichen, aber sehr beschränkenden und langweiligen Nestes in der Welt des Alltagslebens sei eine Folge der Tatsache, daß sie Energie aufgespart hätten. Ihre Depression, so sagte ihnen der Nagual Julian, sei weniger Trauer darüber, ihr Nest verloren zu haben, sondern das Unbehagen, nach neuen Unterkünften suchen zu müssen.
    »Diese neuen Unterkünfte«, fuhr Don Juan fort, »sind nicht so gemütlich, aber sie sind unendlich viel geräumiger. Deine Erkenntnis, vertrieben worden zu sein, kam über dich in Form einer tiefen Depression, eines erlöschenden Lebenswillens. Als du uns sagtest, du willst nicht mehr leben, da mußten wir einfach lachen.«
    »Was passiert jetzt mit mir?« fragte ich.
    »Umgangssprachlich ausgedrückt, wirst du dir 'ne andere Bude suchen müssen«, erwiderte Don Juan.
    Wieder gerieten Don Juan und Genaro in wilde Euphorie. Jedes ihrer Worte trieb sie zu hysterischem Gelächter. »Das alles ist ganz einfach«, sagte Don Juan. »Deine neue Energie wird einen neuen Platz als Heimat für deinen Montagepunkt schaffen. Und der Krieger-Dialog, den du mit uns führst, immer wenn wir zusammenkommen, wird diese neue Position festigen.«
    Genaro setzte eine ernste Miene auf und fragte mich mit dröhnender Stimme: »Hast du heute schon geschissen?« Mit zurückgeworfenem Kopf drängte er auf eine Antwort. »Hast du? Hast du?« fragte er. »Los, laß uns anfangen mit dem Dialog der Krieger!«
    Als ihr Gelächter sich gelegt hatte, meinte Genaro, ich müsse mich auf einen Rückschlag gefaßt machen, bedingt durch die Tatsache, daß der Montagepunkt von Zeit zu Zeit wieder in seine ursprüngliche Position zurückehre. Bei ihm selbst, so erzählte er, habe die normale Position seines Montagepunktes eine Neigung bedingt, andere Menschen als bedrohlich und gefährlich zu empfinden. Eines Tages aber habe er zu seiner Verwunderung festgestellt, daß er sich irgendwie verändert hatte. Er war viel mutiger geworden und konnte erfolgreich mit Situationen umgehen, die ihn normalerweise in Chaos und Ängste gestürzt hätten. »Ich machte gerade Liebe«, fuhr Genaro fort und blinzelte mir zu. »Normalerweise hatte ich eine Todesangst vor Frauen. Aber eines Tages fand ich mich mit einer ganz tollen Frau im Bett. Es war für mich so ungewohnt, daß ich, als mir klar wurde, was ich da machte, beinahe einen Herzschlag bekam. Der Schock ließ meinen Montagepunkt wieder in seine normale Position zurückrutschen, und ich mußte, zitternd wie ein verängstigtes Kaninchen, aus dem Haus rennen.
    Mach dich lieber auf einen Rückfall deines Montagepunktes gefaßt«, fügte Genaro hinzu, und wieder lachten sie. »Die Position des Montagepunktes auf dem Kokon des Menschen«, erklärte Don Juan, »wird durch den inneren Dialog festgehalten, und deshalb ist sie

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