Das Feuer von Innen
waren natürlich begeistert von dieser Beobachtung, so erzählte Don Juan, und arbeiteten fortan mit dieser natürlichen Verschiebung, bis sie sie kontrollieren konnten. Diese Kontrolle bezeichneten sie als Träumen, oder als Kunst des Umgangs mit dem Traumkörper.
Schier unmöglich sei es, meinte Don Juan, die unermeßliche Fülle des Wissens zu beschreiben, das die alten Seher über das Träumen angesammelt hätten. Die neuen Seher aber konnten nur wenig davon gebrauchen. Als nun die Zeit des Wiederaufbaus kam, übernahmen die neuen Seher nur die wesentlichen Grundlagen des Träumens, die ihnen helfen konnten, die Emanationen des Adlers zu sehen, und ihren Montagepunkt zu bewegen. Don Juan erzählte, daß die Seher, die alten wie die neuen, das Sehen als eine Kontrolle jener natürlichen Verschiebung aufgefasst hätten, die der Montagepunkt im Schlaf vollziehe. Diese Verschiebung zu kontrollieren, betonte er, bedeute keineswegs, sie zu steuern, vielmehr ginge es darum, den Montagepunkt in der Position festzuhalten, an die er sich im Schlaf ganz natürlich begebe - ein sehr kompliziertes Manöver, das von den alten Sehern viel Mühe und Konzentration verlangte.
Der Träumer müsse, erklärte Don Juan, ein sehr delikates Gleichgewicht einhalten, denn weder dürfe er in die Träume eingreifen noch könne er sie durch bewußte Anstrengung kommandieren -und trotzdem müsse die Verschiebung des Montagepunktes dem Befehl des Träumers gehorchen: ein Widerspruch, den man nicht, so Don Juan, rational auflösen, sondern nur in der Praxis lösen könne.
Durch das Beobachten von Träumern im Schlaf fanden die alten Seher auch die Lösung, den Träumen ihren natürlichen Lauf zu lassen. Sie hatten gesehen, daß der Montagepunkt des Träumers bei manchen Träumen erheblich tiefer in die linke Seite hineingleite als bei anderen. Diese Beobachtung stellte sie vor die Frage, ob der Inhalt des Traums den Montagepunkt in Bewegung bringt, oder ob die Bewegung des Montagepunktes ihrerseits den Inhalt des Traums hervorbringt, indem sie ungenutzte Emanationen aktiviert.
Bald erkannten sie, daß es die Verschiebung des Montagepunktes in die linke Seite sei, die die Träume hervorbringt. Je weiter die Bewegung, desto lebhafter und phantastischer der Traum. Zwangsläufig versuchten sie nun, ihre Träume zu dirigieren, mit dem Ziel, ihren Montagepunkt tiefer in die linke Seite hineinzubewegen. Bei diesem Unterfangen entdeckten sie, daß der Punkt, sobald der Traum bewußt oder halbbewußt manipuliert wird, sofort an seinen gewohnten Ort zurückehrt. Nachdem sie aber diesen Punkt in Bewegung bringen wollten, gelangten sie unvermeidlich zu dem Schluß, daß ein Eingreifen in den Traum einem Eingreifen in die natürliche Verschiebung des Montagepunktes gleichkäme.
Von dieser Einsicht ausgehend, erklärte Don Juan, entwickelten die alten Seher dann ihr erstaunliches Wissen zu diesem Thema -ein Wissen von ungeheuren Konsequenzen für das, was die neuen Seher mit ihrem Träumen zu erreichen versuchten, das ihnen jedoch in seiner ursprünglichen Form wenig nützen konnte.
Wahrscheinlich, so meinte Don Juan, hätte ich das Träumen bisher als eine Kontrolle der Träume aufgefaßt. Und doch habe er mir mit all den Übungen, die er mir aufgab, wie etwa das Auffinden meiner Hände im Traum, nicht etwa beibringen wollen, meine Träume zu dirigieren. Diese Übungen seien nur dazu bestimmt gewesen, meinen Montagepunkt an der Stelle festzuhalten, zu der er sich in meinem Schlaf hinbewege. Hier aber müsse der Träumer ein delikates Gleichgewicht wahren. Das einzige, was er zu steuern vermöchte, sagte er, sei die Fixierung seines Montagepunktes. Er befinde sich in der Lage eines Fischers, ausgestattet mit einer Angelschnur, die sich nach eigenem Willen auswirft; ihm bliebe nichts anderes übrig, als die Leine an der Stelle zu vertäuen, wo sie ins Wasser falle. »Die Stelle, an die sich der Montagepunkt im Traum bewegt, nennt man die Traumposition«, fuhr er fort. »Die alten Seher wußten so meisterhaft ihre Traumposition beizubehalten, daß sie sogar aufwachen konnten, während ihr Montagepunkt dort verankert war.
Die alten Seher nannten diesen Zustand den Traumkörper, denn sie wußten diesen in so hohem Maß zu kontrollieren, daß sie sich jedesmal, wenn sie bei einer neuen Traumposition erwachten, zeitweilig einen neuen Körper schufen.
Du mußt dir aber im klaren sein, daß das Träumen einen gefährlichen Nachteil hat. Es gehört zur Welt
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