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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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der alten Seher. Es ist von ihrer Stimmung durchdrungen. Ich habe versucht, dich vorsichtig durch diese Erfahrung zu geleiten, aber man kann nie sicher sein.«
    »Wovor willst du mich warnen, Don Juan?« »Ich warne dich vor den Fallstricken des Träumens, die wahrhaft erstaunlich sind«, antwortete er. »Beim Träumen ist es tatsächlich unmöglich, die Bewegung des Montagepunktes zu steuern; das einzige, was über diese Verschiebung entscheidet, ist die innere Stärke oder Schwäche des Träumers. Und genau hier liegt der erste Fallstrick.«
    Am Anfang, so erklärte er, hätten sich die neuen Seher nur zögernd des Träumens bedient. Sie glaubten, daß das Träumen den Krieger, statt ihn zu stärken, nur schwach, bedrückt und launenhaft mache - ganz wie es sie alten Seher waren. Um die gefährlichen Folgen des Träumens auszugleichen - denn es blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich seiner zu bedienen -, entwickelten die neuen Seher ein vielseitiges und kompliziertes System von Verhaltensweisen, genannt der Weg der Krieger oder Pfad der Krieger.
    Durch dieses System konnten die Seher sich absichern und die innere Stärke finden, die sie brauchten, um die Verschiebung des Montagepunktes im Traum zu steuern. Die Stärke, von der Don Juan sprach, beruhte nicht auf Überzeugung allein, wie er sagte. Niemand hätte stärkere Überzeugungen vertreten können als die alten Seher, und doch seien sie schwach bis ins Mark gewesen. Innere Stärke bedeute Gleichmut, beinah Gleichgültigkeit, ein Gefühl der Leichtigkeit, aber vor allem bedeute es eine tiefe, natürliche Neigung zum Forschen und Verstehen. Diesen Charakterzug bezeichneten die neuen Seher als Nüchternheit.
    »Die neuen Seher waren der Überzeugung«, fuhr er fort, »daß ein Leben der Makellosigkeit an sich, und unvermeidlich, zu solcher Nüchternheit führt und daß diese wiederum die Bewegung des Montagepunktes bewirkt.
    Wie ich dir sagte, glaubten die neuen Seher, daß der Montagepunkt von innen her bewegt werden kann. Sie gingen noch einen Schritt weiter und behaupteten, daß makellose Krieger niemanden brauchen, der sie führt, sondern daß sie selbst, indem sie ihre Energie sparen, all das tun können, was die Seher tun. Alles, was sie brauchen, ist eine kleine Chance, und das Wissen um jene, von den Sehern enthüllten Möglichkeiten.«
    Damit, so sagte ich ihm, wären wir wieder am Ausgangspunkt, an dem wir in meinem normalen Bewußtseinszustand gestanden hätten. Denn noch immer sei ich überzeugt, daß Makellosigkeit, oder das Sparen von Energie, so unbestimmte Begriffe wären, daß jeder sie nach Belieben interpretieren könne. Ich wollte weitersprechen und meinen Standpunkt begründen, aber da überfiel mich ein sonderbares Gefühl. Ich hatte tatsächlich die körperliche Empfindung, als sauste ich durch etwas hindurch. Und dann konnte ich selbst meinen Standpunkt widerlegen. Ich wußte ohne jeden Zweifel, daß Don Juan recht hatte: Alles, was man braucht, ist Makellosigkeit und Energie, und diese beginnt mit einer einzigen Tat, die wohlerwogen, präzise und beharrlich sein muß. Wird diese Tat lange genug wiederholt, dann stellt sich ein Gefühl unbeugsamer Absicht ein, das auch auf alles andere übertragen werden kann. Ist dies erst erreicht, dann liegt der Weg offen. Eines führt dann zum anderen, bis der Krieger sein volles Potential verwirklicht.
    Als ich Don Juan berichtete, was ich gerade erkannt hätte, lachte er, offensichtlich erfreut, und rief aus, daß dies wirklich ein gottgesandtes Beispiel für die Stärke sei, von der er gesprochen habe. Mein Montagepunkt, erklärte er, habe sich verschoben, und er sei durch Nüchternheit in eine Position bewegt worden, die das Verständnis fördere. Umgekehrt hätte er durch Launenhaftigkeit in eine Position bewegt werden können, die nur den Eigendünkel fördere, wie es schon oft bei mir der Fall gewesen sei.
    »Laß uns nun über den Traumkörper sprechen«, fuhr er fort. »Die alten Seher konzentrierten alle ihre Anstrengungen auf die Erforschung und Anwendung des Traumkörpers. Und es gelang ihnen, diesen wie einen materiellen Körper einzusetzen, was soviel heißt, als daß sie sich selbst in immer unheimlicheren Formen neu erschufen.«
    Unter den neuen Sehern sei allgemein bekannt, sagte Don Juan, daß ganze Scharen von alten Sehern niemals wiederkehrten, nachdem sie in einer Traumposition ihrer Wahl aufgewacht waren. Wahrscheinlich, so sagte er, seien sie in jenen unvorstellbaren Welten

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