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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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zunehmender Besorgnis versuchte ich ihn auszufragen, und rief damit noch mehr Gelächter hervor. Schließlich fing er sich wieder und meinte, er wolle mir erzählen, wie die neuen Seher zu dem Traumkörper gelangt seien und auf welche Weise sie ihn einsetzten.
    »Den alten Sehern ging es um eine perfekte Kopie des Körpers«, fuhr er fort, »und fast hätten sie es geschafft, diesen herzustellen. Das einzige, was sie nie kopieren konnten, waren die Augen. Anstelle der Augen hat der Traumkörper nur die Glut der Bewußtheit. Das hast du bisher, wenn Genaro dir seinen Traumkörper zeigte, noch nie bemerkt.
    Die neuen Seher hatten keinerlei Interesse an einer perfekten Kopie des Körpers; sie kümmerten sich nicht einmal darum, den Körper überhaupt zu kopieren. Dennoch behielten sie den Namen Traumkörper bei, um damit ein Gefühl, eine Energieaufwallung zu bezeichnen, die durch die Bewegung des Montagepunktes an jeden Ort dieser Welt transportiert werden kann - oder an jeden Ort in den sieben Welten, die dem Menschen zugänglich sind.«
    Dann schilderte mir Don Juan die Technik, durch die der Traumkörper zu erlangen sei. Diese beginne, wie er sagte, mit irgendeiner ersten Tat, die einfach durch die Tatsache, daß sie durchgehalten werde, eine unbeugsame Absicht erzeuge. Unbeugsame Absicht führte zu innerem Schweigen, und inneres Schweigen führte zu innerer Stärke, die notwendig sei, um den Montagepunkt im Traum an die geeigneten Positionen wandern zu lassen.
    Diesen Abschnitt bezeichnete Don Juan als das Fundament, Nachdem das Fundament abgeschlossen sei, folge die Entwicklung der Kontrolle; sie bestünde in einem systematischen Beibehalten der Traumposition, und zwar durch hartnäckiges Festhalten an der Traum-Vision. Stetige Übung bewirke eine große Geschicklichkeit im Beibehalten neuer Traumpositionen auch in neuen Träumen, allerdings weniger, weil man durch Übung eine bewußte Kontrolle über den Traum gewönne, sondern weil jedesmal, wenn solche Kontrolle geübt werde, die innere Stärke sich festige. Die gefestigte innere Stärke wiederum lasse den Montagepunkt zunehmend in solche Traumpositionen gleiten, die geeignet seien, die Nüchternheit zu fördern. Anders gesagt, die Träume selbst würden mit der Zeit immer steuerbarer, sogar geordneter.
    »Die Entwicklung der Träumer ist eine indirekte«, fuhr er fort. »Dies ist der Grund, warum die neuen Seher glauben, daß wir allein, und ohne Hilfe, träumen können. Da das Träumen mit Hilfe einer natürlichen, eingebauten Verschiebung des Montagepunktes geschieht, sollten wir niemanden brauchen, der uns hilft.
    Was wir aber nötig brauchen, das ist Nüchternheit, und niemand, außer uns selbst, kann sie uns geben oder uns helfen, sie zu gewinnen. Ohne Nüchternheit wäre die Verschiebung des Montagepunktes eine chaotische, wie ja auch unsere gewöhnlichen Träume chaotisch sind. Die richtige Methode, zum Traumkörper zu gelangen, ist also nichts anderes als Makellosigkeit in unserem täglichen Leben.«
    Wenn erst einmal Nüchternheit gelernt sei und die Traumpositionen immer stärker würden, so erklärte Don Juan, wäre der nächste Schritt, in jeder beliebigen Traumposition aufzuwachen. So einfach dies erscheine, sei es doch, wie er meinte, ein sehr kompliziertes Manöver - so kompliziert, daß es nicht nur Nüchternheit, sondern auch alle anderen Attribute der Kriegerschaft voraussetze, besonders die Absicht.
    Ich fragte ihn, wie die Absicht dem Seher helfe, in einer bestimmten Traumposition zu erwachen. Und er antwortete, daß es der Absicht, als der höchstentwickelten Kontrolle der Ausrichtungs-Kraft, vorbehalten bleibe, mit Hilfe der Nüchternheit des Träumers die Ausrichtung all jener Emanationen aufrechtzuerhalten, die durch die Bewegung des Montagepunktes beleuchtet würden.
    Es gebe allerdings, sagte Don Juan, noch einen weiteren gefährlichen Fallstrick des Träumens: nämlich die Stärke des Traumkörpers selbst. Zum Beispiel falle es dem Traumkörper sehr leicht, die Emanationen des Adlers längere Zeit hindurch ununterbrochen anzustarren, doch ebenso leicht könne der Traumkörper am Ende völlig von ihnen aufgezehrt werden. Seher, die die Emanationen des Adlers ohne ihren Traumkörper anstarrten, seien daran gestorben, und jene, die sie mit ihrem Traumkörper anstarrten, seien am Feuer von innen verbrannt. Die neuen Seher hätten das Problem dadurch gelöst, daß sie in Gruppen zu sehen pflegten. Während ein Seher die Emanationen

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