Das Feuer von Innen
anstarrte, standen die anderen bereit, um das Sehen abzubrechen. »Wie machten es die neuen Seher beim Sehen in Gruppen?« fragte ich.
»Sie träumten zusammen«, erwiderte er. »Wie du weißt, ist es einer Gruppe von Sehern möglich, jeweils die bei sich gleichen ungenutzten Emanationen zu aktivieren. Und auch in diesem Fall ist nicht bekannt, nach welcher Methode dies geschieht. Es geschieht einfach. Es gibt keine Technik, die man befolgen könnte.«
Beim Zusammen-Träumen, fügte er an, übernehme irgend etwas in uns die Führung, und plötzlich teilten wir mit anderen Träumern dieselbe Vision. Dabei zwinge uns unser schieres Menschsein, die Glut unserer Bewußtheit automatisch auf die gleichen Emanationen zu richten, die auch bei anderen Menschen aktiviert seien. Wir korrigierten die Position unseres Montagepunktes entsprechend, damit sie mit den Positionen der Punkte bei den Leuten unserer Umgebung übereinstimmten. Dies könnten wir auf der rechten Seite tun, bei unseren alltäglichen Wahrnehmungen, aber wir könnten es auch auf der linken tun, wenn wir zusammen träumen.
12. Der Nagual Julian
Es herrschte eine sonderbare Aufregung im Haus. Alle Seher aus Don Juans Nagualzug schienen so gehobener Stimmung, als wären sie wahrhaftig übergeschnappt - etwas, das ich noch nie erlebt hatte. Mir war es ganz unheimlich. Ich fragte Don Juan deswegen. Er führte mich in den hinteren Patio. Schweigend gingen wir eine Weile umher. Er sagte, es käme nun bald die Zeit, daß sie alle gehen müßten. Auch müsse er sich mit seiner Erklärung beeilen, um sie noch rechtzeitig zu Ende zu bringen. »Wieso wißt ihr, daß ihr bald gehen werdet?« fragte ich. »Es ist ein inneres Wissen«, sagte er. »Eines Tages wirst auch du es wissen. Siehst du, der Nagual Julian ließ meinen Montagepunkt unzählige Male sich verschieben, genau wie ich den deinen sich verschieben ließ. Dann überließ er mir die Aufgabe, alle diese Emanationen, die er mir durch jene Verschiebungen auszurichten geholfen hatte, noch einmal auszurichten. Das ist die Aufgabe, die jedem Nagual überlassen bleibt.
Wie dem auch sei, die erneute Ausrichtung all dieser Emanationen bereitet den Weg für das eigenartige Manöver, alle Emanationen im Innern des Kokon aufleuchten zu lassen.
Dies habe ich beinah geschafft. Ich bin dabei, mein Maximum zu erreichen. Da ich der Nagual bin, werden wir alle, sobald ich alle Emanationen in meinem Kokon zum Leuchten gebracht habe, von einem Moment auf den andern verschwunden sein.«
Ich wußte, ich hätte traurig sein sollen und weinen, aber etwas in mir war außer sich vor Freude, zu erfahren, daß der Nagual Juan Matus im Begriff stand, frei zu sein, und so mußte ich aufspringen und einen begeisterten Schrei ausstoßen. Ich wußte, ich würde früher oder später in einem anderen Bewußtseinszustand sein, und dann würde ich vor Traurigkeit weinen. An diesem Tag aber war ich voller Freude und Optimismus.
Ich erzählte Don Juan, wie mir zumute sei. Er lachte und klopfte mir den Rücken.
»Vergiß nicht, was ich dir gesagt habe. Verlaß dich nie auf emotionale Erkenntnisse. Laß zuerst deinen Montagepunkt sich bewegen, und komme dann erst, Jahre später, zu einer Erkenntnis.« Wir gingen in das große Zimmer und setzten uns, um das Gespräch fortzusetzen. Don Juan zögerte einen Moment. Er schaute aus dem Fenster. Von meinem Sessel konnte ich den Patio überblicken. Es war früher Nachmittag; ein bewölkter Tag. Es sah nach Regen aus. Gewitterwolken drängten von Westen heran. Ich liebte solche bewölkten Tage. Don Juan nicht. Er wirkte unruhig, während er versuchte, eine bequemere Sitzhaltung zu finden. Die Schwierigkeit, sich zu erinnern an das, was im Zustand gesteigerter Bewußtheit stattfindet, so begann Don Juan seine Ausführungen, sei bedingt durch die unendliche Zahl von Positionen, die der Montagepunkt einnehmen könne, nachdem er einmal aus seiner normalen Position gelöst sei. Die Leichtigkeit, mit der wir uns all dessen erinnerten, was im normalen Bewußtseinszustand stattfinde, sei hingegen bedingt durch die Fixierung des Montagepunktes an eine Stelle - nämlich die Stelle, an der er sich normalerweise befinde.
Er könne sich gut in mich hineinversetzen, sagte er und schlug vor, ich solle mich mit der Schwierigkeit des Erinnerns abfinden und die Tatsache akzeptieren, daß ich eventuell bei meiner Aufgabe versagen könnte und vielleicht nie imstande sein würde, alle die Emanantionen erneut auszurichten,
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