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Das Feuer von Konstantinopel

Das Feuer von Konstantinopel

Titel: Das Feuer von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingmar Gregorzewski
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Fragen und Felix wollte sie unbedingt behalten. Er hatte Angst, dass, wenn er sie nicht zuvorkommend behandelte, sie ihm einfach davonfliegen würde. Und er hatte noch so viele Fragen, auf die Suleika eines Tages antworten würde. So hoffte er jedenfalls.

 
    3.
     
    Oh, wie ich sehe, habt ihr euch einen Simit gekauft. Da weiß ich ein lustiges Spiel. Zerbrecht den köstlichen Hefering mit seinen Sesamkörner n in kleine Stücke und werft diese in die Luft. Die Vögel freuen sich schon darauf. Sie danken es euch mit Geschrei und kleinen Kämpfen um die Leckerbissen. Aber vergesst darüber nicht, die Hügel der Stadt im Auge zu behalten, mit ihren zahllosen Moscheen und den prächtigen Palästen. Menschen kommen und gehen, aber die Häuser bleiben. Die Lichter in den Fenstern der Paläste schimmern über dem Wasser und locken uns. Auch von den Geheimnissen dort könnten euch die Vögel erzählen. Viele von ihnen waren zu Gast in den Gärten und haben so einiges gehört und gesehen. Aber jetzt haben sie Hunger. Also los, werft die Krümel eures Simits so hoch ihr könnt und erfreut euch an dem Geschrei über euren Köpfen.
     
    Direkt am 'Goldenen Horn’, im Bahnhof Sirkeci, stieg Felix in den Balkanexpress ein. Onkel Fidelius und Tante Fatima brachten ihn noch an seinen Platz, halfen mit, die blaue Reisetasche zu verstauen und drückten ihn zum Abschied herzlich an sich. Dann drängelten sie wieder hinaus ins Freie.
    Seine Mitreisenden im Abteil nickten Felix lächelnd zu. Wohlerzogen lächelte er zurück. Einige tuschelten und deuteten dabei auf den Käfig mit Suleika, den er auf dem Schoß hielt. Felix achtete jedoch nicht weiter darauf. Sein Herz war bleischwer vor Abschiedsschmerz. Es drückte ihn förmlich in seinen Sitz.
    Suleika blickte keck in die Runde und fand Gefallen an ihrem neuen Publikum. Um niemanden zu enttäuschen, spielte sie den einfältigen Papagei:
    „Gute Reise! Gute Reise!“, krächzte sie heiser.  „Bleibe fröhlich, bleibe fröhlich!“
    Gelächter erfüllte den Waggon und selbst Fremde wandten sich einander zu, verbunden durch das Erstaunen über den lustigen Vogel, gefangen hinter Gittern.
    Der Zug setzte sich schleppend in Bewegung und nach und nach verschwand Konstantinopel in weiter Ferne. Für einen letzten Augenblick wurden für Felix die Häuser zu Schlössern in einem verwunschenen Märchenreich, ehe Konstantinopel endgültig in einem schimmernden Dunst versank.
    Städte, Berge, Flüsse und Täler flogen vor dem Zugfenster vorbei, wie ungeordnete Gedanken im Kopf eines Langstreckenläufers. Gedanken, die sich nicht festhalten ließen. Eben weidete da noch eine Ziegenherde gleichgültig zwischen dürren Gräsern, dann winkte auch schon eine Hochzeitsgesellschaft dem Zug nach. Sie hatte sich auf der Straße versammelt, staunend und aufgeregt zugleich, als wäre das 'Stahlross’ in diesem Moment ein ganz besonderes Glückssymbol, ein Zeichen für Wohlstand und Fortschritt, ein Blick in die Zukunft der Brautleute und der gesamten Menschheit.
    Aus dem Tag wurde Nacht. Der Zug rüttelte, als wäre er eine Kutsche. Es gab keine Ruhe und das machte müde.
    Die Nacht war unheimlich. Felix dachte über den Mann mit dem roten Handschuh nach. Was wollte er von einem Jungen wie ihm? Felix war nicht reich, er kannte keine Geheimnisse, und außer, dass er einmal einen halben Regenwurm verschluckt hatte, hatte er auch noch nie etwas Sensationelles geleistet. Er war einfach nur ein Junge. Und Jungen gab es millionenfach auf der Welt. 
    Alle Mitreisenden im Abteil schliefen fest. Nur Felix nicht. Er betrachtete jeden Einzelnen. Wie Masken hingen die Gesichter in der Luft, körperlos... wackelten hin und her, als würde der Wind mit ihnen spielen.  Ab und zu warf der Mondschein zitternde kleine Schatten über Nasen, Bärte und Brillen.
    Das Gesicht der toten Sängerin erschien vor Felix’ Augen. Es war ihm, als wäre sie wirklich da, direkt vor ihm. Es war ihm, als flüsterte sie leise:
    ' Öffne deine Hände, Felix... fühlst du den Wind von Konstantinopel...?’
    Er spürte keine Angst. Ihre Worte beruhigten ihn. Sie gaben ihm Trost und Stärke.
    Vorsichtig neigte Felix seinen Kopf und blickte in den Vogelkäfig. Dort hockte Suleika. Ganz still war sie. Sie rührte sich nicht. Ihr schwarzes Federkleid glänzte wie ein Umhang aus Pech und ihre Krallen leuchteten so rot wie der Handschuh des Fremden.
    Sie weiß viel mehr, als sie zugibt, dachte sich Felix. Ja, sie weiß alles.
    Suleika

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