Das Feuer von Konstantinopel
prahlte zwar mit dem Aufsagen portugiesischer Gedichte oder nannte rechthaberisch den genauen Breitengrad, auf dem angeblich die Insel Hua-Huka liegen sollte. Aber was wirklich in Konstantinopel geschehen war, dazu schwieg sie vornehm, da blieb ihr Schnabel verschlossen.
Fedora war längst eingeschlafen, lange bevor Felix zu Ende erzählt hatte. Selbst die Stelle, an der die Sängerin starb, hatte sie nicht mehr gehört. Felix hatte das Ende seiner Geschichte ganz leise vor sich hin geflüstert. Mehr zu sich selbst, als zu seiner kranken Schwester, deren Kopf unschuldig auf einem seidenen Kissen ruhte, als wäre alles ein Gemälde. Lichtjahre entfernt von dem Schmutz und der Armut in den Gassen von Konstantinopel, die Felix so gut kennengelernt hatte.
Still erhob er sich von seinem Stuhl. Vorsichtig legte er die persische Halskette, die er ihr als Geschenk mitgebracht hatte, über ihre auf der Bettdecke gefalteten Hände. Leise verließ er das Zimmer und schloss die Türe hinter sich.
„Felix!“, rief ihn Fräulein Romitschka auf dem Flur zu sich, „...und das ist wirklich für mich?“
Verzückt hielt sie ein Fläschchen Parfüm in der Hand.
„Ja. Ich hoffe, es gefällt Ihnen!“, antwortete Felix.
„Ah, es riecht phantastisch... aber dieser Geruch kommt mir irgendwie bekannt vor!“, sagte sie und lief beschwingt die Treppe hinunter. Ohne eine Antwort abzuwarten.
Dem Vater hatte Felix einen Sextanten mitgebracht. Gegossen aus glänzendem Messing konnte man mit ihm anhand des Meereshorizontes und der Sterne den Ort eines Schiffes bestimmen. Der Vater war hoch erfreut. Auch wenn er selbst kein Schiff besaß und den Sextanten nur auf seinen Schreibtisch stellen konnte.
Ziziphus hieß der kleine chinesische Dattelbaum, den Felix seiner Mutter überreicht hatte. Sie nahm ihn gleich liebevoll in Empfang, so wie sie alles Leben, das man ihr anvertraute, schätzte, hütete und beschützte.
Gerade wollte Felix an der offenen Tür zum Büro des Vaters vorbei, da hörte er Stimmen und blieb stehen, um zu lauschen.
„Ach, Fridolin...“, sagte die Mutter traurig, „der Junge ist so nachdenklich geworden, seitdem er aus Konstantinopel zurück ist... ich mache mir richtige Sorgen um ihn! Und dann diese Krähe... so ein Tier gehört doch nicht ins Haus. Das bringt am Ende nur Unglück. – Jetzt sag’ doch auch etwas!“
Felix beobachtete durch den Türspalt, wie der Vater mit dem Sextanten beschäftigt war.
„Nun lass ihn mal, man muss ja nicht hinter allem gleich das Schlimmste vermuten...!“, brummte er.
„Aber er ist doch unser Sohn!“, sagte die Mutter sorgenvoll.
„Ja, er ist unser Sohn...“, wiederholte der Vater und sah dabei nicht einmal von dem Sextanten auf, an dem er gerade den Zeigerarm über den Gradbogen schob, um eine neue Winkeleinstellung vorzunehmen. Und das, obwohl es in dem düsteren Raum weder einen Meereshorizont noch eine Sonne gab.
Felix ging zurück in sein Zimmer. Er wollte endlich einen Brief an Onkel Fidelius schreiben, um sich für die Gastfreundschaft zu bedanken, die ihm in Konstantinopel zuteil geworden war.
Als er sich an seinen Schreibtisch setzte, fiel ihm das Denken schwer. Die rechten Worte für so einen Brief kamen ihm nicht in den Sinn. Mit welchem Satz sollte er beginnen? Er wusste es nicht. Alles Mögliche ging ihm durch den Kopf und lenkte ihn von seinem eigentlichen Vorhaben ab. Leuchtend weiß lag der Bogen Papier vor ihm. Zwischen den Fingern drehte er den Stift hin und her. Warum waren alle im Hause Flocke so bedrückt? Hatte er etwas falsch gemacht? War alles seine Schuld?
Suleika hockte auf der Stange in ihrem Käfig und beobachtete den Jungen. Ihre Augen folgten jeder seiner Bewegungen, als würde ein Habicht eine Maus belauern, bevor er sich auf sie stürzte, um sie mit Haut und Haaren zu verschlingen.
Felix drehte sich zu dem schwarzen Vogel.
„Was wollte der Mann mit dem roten Handschuh von mir? Er wirkte so überrascht, mich in dem Zauberladen anzutreffen. Kannte er mich?“
„Großes Volk der Irokesen...!“, donnerte Suleika los, „...was denkst du dir denn da wieder aus?!“
„Ich denke mir nichts aus!“, antwortete Felix ganz ruhig. „So wie er mich angeschaut hat und wie er meinen Namen aussprach, bevor er wieder verschwand... das alles war sehr merkwürdig.“
„Sei froh, dass wir jetzt hier sind und schreib endlich... schreib: Lieber Onkel Fidelius, Suleika hat zwar schwarze Federn, aber ein buntes Herz... nein, besser
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