Das Feuer von Konstantinopel
bereuen. Kommt ihnen ihr Glück wie eine Sekunde vor, empfinden sie ihr Unglück als ewig. Haben sie sich ein wenig Glück zusammengekratzt, wie Baptist sein Honigbrot, kommt das Leben frech daher und wischt auf einen Schlag alles wieder fort.
Aber wodurch wird alles anders?
Anders in unserem Leben wird alles durch die Ereignisse, die Geschehnisse, die wir uns nicht wünschen. Keiner will sie, keiner kann sie aufhalten. Sie sind Schuld an den wahren Veränderungen in unserem Dasein.
Machen wir uns trotzdem auf den Weg, am besten gemeinsam...
Oben in seinem Zimmer wartete Suleika auf Felix. Unruhig schüttelte sie ihr schwarzes Federkleid, als der Junge endlich eintrat. Zwischen den Käfigstäben hindurch beobachtete sie jeden Schritt von Felix und krächzte:
„Unheil halte ein! Unheil halte ein!“
Felix kümmerte sich nicht weiter um das Geschrei, es war ihm egal, was Suleika da von sich gab. Von unten hörte er lautes Rufen, die Stimme seiner Mutter und die von Fräulein Romitschka.
„Wo habe ich nur den kleinen goldenen Fingerhut gelassen?“, wunderte sich Fräulein Romitschka.
„Fräulein Romitschka!“, ärgerte sich die Mutter. „Haben Sie mein Brillenetui gesehen? Ich hatte es auf die Zeitung gelegt. Es ist doch zum Mäuse melken mit der Unordnung in diesem Haus...!“
‚Er ist ein kleiner gemeiner Dieb’, dachte sich Felix und betrachtete den schmutzigen zusammengefalteten Zettel in seiner Hand. Die beiden Frauen werden ihre Sachen niemals wiederfinden, jedenfalls nicht in diesem Haus. Sie wurden bestohlen und hatten es nicht einmal bemerkt. Dieser Baptist musste wahrlich hexen können.
Auch Suleika blieb die ganze Aufregung nicht verborgen.
„Aha!“, krächzte sie, „Schickt er etwa schon sein Diebsgesindel aus? Ist es schon soweit? Müssen wir jetzt alle um unser Leben fürchten? Heiliger Marabut...! Höret die Stimme der Derwische, denn sie drehen ihre Herzen zum Mond...! Höret, was sie euch zu verkünden haben...!“
Felix lachte. „Er hat nicht nur was mitgehen lassen, er hat auch etwas dagelassen. Diesen albernen Zettel hier.“
In dem Moment öffnete sich die Zimmertüre und Fräulein Romitschka trat in den Raum. Rasch ließ Felix das Stück Papier in seiner Hosentasche verschwinden, damit die Kinderfrau keine neugierigen Fragen stellte.
Sie baute sich vor Felix auf. Mit beiden Händen hielt sie die Lumpen von Baptist weit weg von ihrem Körper, aus lauter Angst davor, sich schmutzig zu machen.
„Felix, was soll mit diesen Sachen geschehen? Ich bitte dich, kümmere dich. Schließlich sind sie von deinem Freund.“
Fräulein Romitschka warf das Bündel mitten in das Zimmer.
„Danke vielmals, vielen Dank auch!“, fügte sie noch hinzu.
„Aber er ist doch gar nicht mein Freund. Was soll ich damit?“, protestierte Felix.
„Mir egal! – Sie riechen auch nicht mehr so ungewaschen, denn ich habe mir erlaubt, sie zu parfümieren.“
„Also gut... danke“, sagte Felix, in der Hoffnung, die Sache damit abzuschließen und Fräulein Romitschka aus seinem Zimmer zu bekommen.
Aber stattdessen hörte er, wie seine Mutter die Treppe hinaufstürmte.
„Fräulein Romitschka! Fräulein Romitschka!“, rief sie.
Atemlos bleib Frau von Flocke in der Zimmertüre stehen. Triumphierend schwang sie einen Briefumschlag.
„Post aus Wien!“ Das waren ihre ersten Worte, nachdem sie ordentlich Luft geholt hatte. Aber ihre Aufgeregtheit legte sich damit nicht.
„Wir haben einen Platz für Fedora in der Klinik von Professor Schladerer. Jetzt kann das arme Kind endlich geheilt werden. Wir sollen unverzüglich kommen, der Herr Professor erwartet uns.“
„Nein, welche Freude!“, rief Fräulein Romitschka aus.
„Der Brief lag einfach so da... auf dem schwarzen Flügel. Komisch, ich habe den Postboten gar nicht gehört“, überlegte die Mutter laut.
„In der Tat merkwürdig, sehr merkwürdig sogar, ich habe auch niemanden gehört!“, beteuerte Fräulein Romitschka.
Felix nahm seiner Mutter den Umschlag aus der Hand: „Zeig’ einmal!“
Er betrachtete ihn genau.
„Er sieht schmutzig aus. Er lag auf dem Boden.“
„Aber Felix, was redest du da! Bestimmt hat ihn eines der Mädchen in Empfang genommen und dann auf dem Flügel liegen gelassen“, sagte die Mutter. „Es gibt für alles eine logische Erklärung.“
„Mit Sicherheit weiß Herr von Flocke, was das alles zu bedeuten hat“, erklärte Fräulein Romitschka mit leicht spöttischem Unterton. Denn sie fand, dass
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