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Das Feuer von Konstantinopel

Das Feuer von Konstantinopel

Titel: Das Feuer von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingmar Gregorzewski
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Die Musik hallte durch das Haus. Es war eine ruhige Melodie mit vielen dunklen Tönen.
    ‚Wer hat endlich diesen verdammten Schlüssel gefunden, um den Deckel aufzuschließen?’, fragte sich Felix. Niemand im Hause Flocke konnte so gut Klavier spielen, wie der, der jetzt an den Tasten saß. Völlig undenkbar. Es musste ein Fremder sein. Felix wunderte sich nur. Langsam wich seine Benommenheit. Er sah wieder klarer.
    „Suleika, hörst du das?“, rief er, seine Stimme noch geschwächt. „Musik!“
    Doch Suleika war die Musik in diesem Moment völlig gleichgültig. Auch sie kam langsam zu sich. Die Parfümdämpfe hatten sich verzogen. Jetzt lag etwas anderes in der Luft. Und das krähte sie laut vor sich hin:
    „Rauch! Rauch!“
    Dieser Ruf ging Felix durch Mark und Bein. Dicker Qualm kroch durch die Türritzen in sein Zimmer. Ohne Unterlass. In Nu war der Raum vernebelt. Der Rauch biss Felix in den Augen, und er rang nach Luft.
    „Mach’ die Käfigtüre auf, bei Kali der grausamen Göttin, lass mich sofort hier raus!“, flehte Suleika aus Leibeskräften. Todesangst ergriff sie. So hatte Felix sie noch nie erlebt.
    Er versuchte, wieder auf die Beine zu kommen.
    „Feuer! Es brennt!“, rief er. Mit zitternden Händen öffnete er die Käfigtüre und Suleika flüchtete ins Freie.
    „Mach’, dass du wegkommst!“, rief Suleika, bevor sie aus dem Fenster in die Freiheit flog. Mit kräftigen Flügelschlägen erhob sie sich in die Lüfte und das Letzte, was Felix von der Krähe zu hören bekam, war ein schwaches:
    „Lauf um dein Leben!“
    Dann war Suleika verschwunden.
    „Suleika!“, rief Felix in den leeren Himmel. „Komm zurück!“
    Viel Zeit blieb dem Jungen nicht, sich Gedanken um die verschwundene Krähe zu machen. Als er die Zimmertüre aufriss, erwartete ihn bereits ein Meer aus Flammen, das gierig versuchte, nach ihm zu greifen. Das ganze Treppenhaus brannte lichterloh. Ein Feuersturm tobte durch das Haus, verschlang Gemälde, Vorhänge, Teppiche und Stühle. Immer noch tönte die Musik unten aus der Halle. Sie wurde immer wilder und ungestümer. Es krachte und zischte, Glas explodierte und eine unerträgliche Hitze machte sich breit.
    „Mutter...! Vater...!“, schrie Felix und spürte, wie ihm die Hitze in die Lunge fuhr. „Fräulein Romitschka! Fedora!“
    Aber niemand antwortete ihm. Nur das Feuer fauchte wie ein gefräßiges Ungeheuer, das niemand auf der Welt mehr zähmen konnte. Das Haus schien für immer verloren. Es ergab sich ohne Widerstand einer Macht, die viel größer war, als alle Materie auf der Welt.
    Von der Decke krachte ein brennender Balken und versperrte Felix den Weg ins Treppenhaus. Durch die Türe konnte der Junge sein Zimmer nun nicht mehr verlassen. Er war gefangen. Die Hitze wurde immer unerträglicher, die Flammen zogen Richtung Fenster, durch die frische Luft kam und das Feuer mit Sauerstoff versorgte.
    Felix blieb keine Zeit mehr, zu überlegen. Das Fenster war der einzige Weg in die lebensrettende Freiheit. Ohne einen Blick zurück klammerte sich der Junge an der Regenrinne fest und ließ sich langsam hinunter, bis er Boden unter den Füssen spürte. Er lief weiter hinein in den Garten.  Und während er tief Luft holte, sah er das ganze Ausmaß der Katastrophe: das Haus in der Pappelallee 17, in dem alles war, was er besaß – Erinnerungen, Spielsachen, Schulzeug und Kleidung –, drohte bis auf die Grundmauern abzubrennen. Felix war zwar gerettet. Doch was war mit den anderen aus der Familie geschehen? Felix begann, vor Angst zu zittern. Eine Ahnung stieg in ihm auf, dass nichts mehr so sein würde, wie es einmal war. Niemals zuvor in seinem Leben fühlte er sich so alleine, wie jetzt. Und dann fiel es ihm auf: längst schon drang keine Musik mehr aus dem brennenden Haus. Er konnte die Stille förmlich hören.

 
    5.
     
    Zu allen Zeiten haben Geister, Götter und Dämonen ihre unsichtbare Hand im Spiel. Welt und Glauben sind seit Ewigkeiten vereint. Untrennbar. Vieles ließe sich in Wunder betten und dadurch erklären. Aber soll ich die Menschen lehren, was sie nicht wissen? Soll ich sie lehren, zwischen Engeln und Dämonen zu unterscheiden? Nichts wird wirklicher dadurch, dass es so hätte gewesen sein können. Vermutungen bleiben Vermutungen, sie werden die sieben Himmel nicht teilen. Wo sind die Gesandten der großen Schlachten, die hier auf der Erde ausgetragen werden? Warum geben sie sich so selten zu erkennen? Und wo sind die Auserwählten? Auch ich kann

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